Frühe Diaries, 2000

10.11.2000

Ein Leben der inneren Bewegung gewidmet muss in der Selbstaufgabe oder dem Irrenhaus enden. Und doch bin ich Minimalist, euphorisiere nur mich selbst. Ein einziger Satz, der mich in Erregung versetzt, weil er vielleicht meinen Nerv getroffen hat; und ich beginne wieder von Neuem (mit Schreiben). Ich werde nie Sätze machen, die ein wenig Arschwackeln gleichkommen. Und darum werde ich nie in einer Villa leben, sondern karg und arm. Ich versuche mich zufrieden zu geben mit der Liebe eines Einzigen. Ich leide weniger tief, seit ich tatsächlich geliebt werde. Ich bin mir selbst überdrüssiger. Aber sobald ich gegessen, getrunken habe und R. geliebt habe, fehlt mir ein Thema. Ich muss dann sofort wieder ein Problem „bearbeiten“ können …

 

13.11.2000

Ich habe mir ein Problem aufgehalst. Eine Beschäftigung bei der Frauengewerkschaft, 50 Prozent, Arbeitslosenkasse. Nun habe ich einen kleinen Verdienst, ja. Aber ich kann mich nicht hinters Licht führen; ich zahle doppelt! Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Heirat eines wohlhabenden Bullen. Oder Sozialamt respektive Invalidenrente. Ich habe mir eingebrockt, Schöpferin und Wolf zu sein und führe das Dasein eines Mäuschens. Mehr als auf der Seite von Dichtern sehe ich mich jedoch auf der Seite von Strassenartisten, Bergsteigern oder religiösen Fanatikern. Wenn ich heiraten würde (und ein anderer für mein Leben aufkäme), dann wäre dieser andere für mein Glück zuständig. Ich müsste dann versuchen, möglichst viel zu lachen, und möglichst wenig gescheit daher reden zu wollen. Es würde nicht funktionieren. Also warten wir auf den IV-Bescheid.

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