Verkartoffelversackung, Diary, 13.12.19

Als ich feststellte, dass es für mich da draussen nichts zu erreichen gibt, künstlerisch, brachen meine immunologischen fragilen Schutzewände ein …. seither flutet mich das biochemische Chaos!

Es war ein Gedankengang, den ich 2014 endlich zuende führte: ich kann da draussen nichts erreichen, weil ich denen draussen, so simpel und einfach es tönt, nicht mehr gefallen will und also kann ich ihnen auch gar nicht gefallen. Ergo, und das ist simpel, kann ich mich nicht verkaufen (meine Kunst), weil ich:

a: einen Käufer finden müsste, der liebt, was ich mache.

b: mich liebt und daher verkauft, was ich mache

c: es noch echte Literaturkritiker geben müsste

d: der Mensch anders sein müsste, zum Gleichsein hinzu (also eine andere Kultur)

Von dem Augenblick an, in dem realisiert hatte, dass mein obsessiver Ehrgeiz in mir selbst implodieren würde, weil ich da draussen nichts erreichen kann- nie konnte- nie wird mir dies gelingen – stand ich unter Schock.

Ich spürte, wie sich mein ganzer Organismus zusammenzog, meine Muskeln, meine Nerven, eiskalte Algenbänder legten sich um mein Herz ….

The FREEZING and HIBERNATE PROCESS of severe Myalgischer Encephalomyeltis, g.93.3, dem Playing-Dead-Syndrom, setzte nun endgültig ein.

Das Absinken in den Hypometabolismus ist vergleichbar wie mit einer endlosen Blutentnahme, bei der die Venen nicht getroffen werden. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen meiner ersten Arztbesuche bei Schuldoktor Akert in der ersten Klasse: Es war früh morgens und im Praxiszimmer eisigkalt. Doktor Akert traf meine Venen nicht, er stach lange Zeit in allen Venen ein wenig herum. Irgendwann liess er seine Nadel stecken und ich spürte ein stechend beissendes Ziehen und Saugen, fast wie beim Ziehen eines Zahns, nur schlimmer! Ich war nahe der Ohnmacht und konzentrierte mich daher wie verrückt auf die brutkasten-mässige grünliche gelbliche Verfärbung des Zimmers … Es war nur die Lampe. (Im Brutkasten habe ich genau dasgleiche grünlich gelbe Licht gehabt! By the way. Ich bin ja zwei Monate zu früh gekommen.)

Myalgic E., g.93.3, schleichend progressiv, ist wie Verbluten über einen langen, jahrzehntelangen, lebenslangen Zeitraum hinweg. Nein, nicht im übertragenen Sinne, die Organe stellen ihre Arbeit ja auch tatsächlich ein, in dem sie gerade mal noch soviel an Energie bereit halten, dass man die Notdurft, das Essen, Schlucken, kurz Sitzen (wenn es hoch kommt), eine Unterhaltung führen, verrichten kann. (und dies auch nur, wenn man nicht schwerst betroffen ist, denn dann muss bei der Notdurft künstlich nachgeholfen werden!)

Seit ich an die Melkmaschine der Zellkraft-Abzapfung angebunden bin, habe ich offenbar keine Chance mehr, Keime, Viren, Bakterien, Mikroorganismen vernünftig abzuwehren mittels fleissiger Killerzellen, Radikalfänger und mehr … ich liege im Prinzip mit mehr oder weniger offenen Pulsadern in völliger Entkräftung da, während feurige Grippenzustände mich durchmelken, neurosensorische Erbschen wie Vogelgezwitscher, Türenschlagen im Treppenhaus, Reden an mich heran, Handyläuten und Berührungen nerventief stechen und teilweise tumblern.

Kann ein Tier im pathologischen Winterschlaf gegen Feinde vorgehen, die ihn aus dem Hinterhalt frontal angreifen? Nein! Es ist komplett vulnerabel!

Bevor ich in diese komplette Verletzlichkeit des Playing-Dead-Zustands hineingeglitten bin, hatte ich Jahre des Hypermetabolismus, ich knisterte vor Mehrumsatz!!! Kein Wunder, fing ich nicht an zu brennen, wie ein Küstenwald, der vermeintlich von selbst Feuer fängt!

Auch das ist nur zu verstehen, wenn man mit einbezieht, dass ich bereits mit 20ig zum ersten mal der Brüchigkeit des physischen Lebens begegnete, und monatelang krank war. (die Erstinfektion mit Myalgischer E.)

Warum ich wieder aufstand? Weil ich jung war! Wegen des Zufalls. Wegem Schmusen. Und weil ich das Leben dazu zwang, ein Seil aus Feuer zu werden, eine Feuerleiter, an der ich mich aufziehen konnte!

Ich brauchte eine lächerlich kleine, alltägliche Vision dazu: Dass ich mir selbst ein dichterisches Werk abzapfe, ein kleines, aber doch die Privatheit meiner Selbst überschreitendes kleines Werk ……!!!!!

Es sind nun leider nicht mal Romanfragmente, was ich nun vor mir sehe, dafür inkohärente Passagen, die nie dem Höchststand meiner aktuellen Entwicklung entsprechen. (hihi, der Wasserstand ist natürlich höher.) Meine Entwicklung, die persönliche, ging aber offenbar schneller voran, als mein Stift … and thats tragic.

Und dann der Makel, dass sich die Privatheit nicht in Unversalität umschreiben lässt. Kaut an mir. Und die Vulnerabilität des Innern, ausgestellt im Versuch eines Kunstgerüsts….das doch nur Selbstausdruck verdeckt. Kaut an mir.

Arthur Rimbaud hörte mit 20 mit Schreiben auf (nach Saison en Enfer absolut gerechtfertigt). Er wurde Wilderer!

Huihui, ich würde auch gerne Wildererin werden! Und ein neues Leben beginnen! Irgendeinen neuen obsessiven privaten Krieg würde ich Wildererin Mjs anzetteln, wie Napoleon, Alexander, Ludwig, Peter der Grosse, Bismarck und wie sie alle heissen! Angezettelt haben sie diese Kriege ja doch nur, um sich selbst möglichst gut vor ihrer eigenen physischen Brüchigkeit abzulenken, hab ich recht?

Der Gedanke, dass ich da draussen nichts erreichen kann, weil mir niemand gefällt, ist schwer verdaulich. Schlimmer aber ist die Gewissheit, dass das Problem des abekarteten, individuellen Todes durch überhaupt nichts gelöst werden kann! Je länger ich lebe, je kränker ich werde, umso stärker fühle ich all das, was ich eh schon immer, schon als Kleinkind, wusste: es gibt nur Tod und Eros. (und Kunst ist Eros und Tod.) Aber der Tod ist überhaupt keine Lösung. Für überhaupt nichts! Hätte ich ihn mir sonst nicht schon lange genommen?!

Nun habe ich aber das Playing-Dead-Syndrom, den verfrühten Tod im Leben und kann darum keine Zweitlaufbahn als Wildererin und Jägerin von wilden Elefanten beginnen. Schade, denn ich könnte zum Beispiel in die Welt hinaus reisen und von Hand beim Aufbau von etwas Brauchbaren nützlich sein!

Dabei würde ich dann im besten Fall nebst dem Arbeiten auch noch gerade die Geschichten Anderer auflesen, neue Stoffe würden mein marodest vertrocknetes, obsessiv um sich selbst kreisendes Innenleben bereichern und beunruhigen! In der Begegnung und der Reibung mit dem Realen ergäbe sich soviel Neues, Explosives und schwer Verdauliches, Bedenkliches, dass es mich durchaus wieder nach Ausdruck verlangte, weiterzudichten! (aber das würde ich nicht tun. Wozu auch? Ich hätte ja dann hoffentlich die Courage, Kunst zu leben ohne Sublimation und Medium! Einfach durch mich Selbstsein. Blaba)

Was ist meine Motivation, mein Motor, mein Ehrgeiz als schwer Kranke 22/23/24h/7d/w im Bett liegend? Eine Therapie gegen Myalgische Encephalomyelitis wird es heute und morgen nicht geben. Da wird es eher wieder neue Kriege, Kampflugzeuge, Fussballstadien und eine Medizin für die Erste Klasse geben!!! Forschungsgelder, mit denen man das Leben 80ig jähriger Greise verlängern kann, ausgetüftelt im Silicon Valley, Kalifornieren, wo keine Aprikosenpflückenden Hippies mit Blumenhaarbändern mehr leben können, weil Monatsmieten 10000 Franken kosten.

Ich bräuchte ein mächtiges Feuer, einen immensen Anreiz, damit er die Aussichtslosigkeit und todlose Perspektivlosigkeit der Myalgischen Encephalomyelitis durchbrechen würde, mich befeuern und bewüten …

damit ich noch einmal aufstehe? Aber wozu? Wieder nur für mich selbst?

Es müsste wieder eine Vision her, so stark, dass sie den stärksten Whiskey in den Schatten stellt! Eine Vision, mit der ich mich selbst noch einmal vollkommen blenden könnte:

Dichterin werden. Ein kleines privates Werk durch Sprache und Ausdruck in die Kunst rübergeholt, dem Maul des Markts mit Gewalt in den Hals stopfen! Er soll mal Ungeniessbares schlucken! Ich, MJS, musste auch viel fressen, was ich ihnen, den System angegliederten Erzieher besser vor die Füsse gekotzt hätte … damals in den frühen Kindheit, als sie versuchten, meine Kreativität und Ressourcen zu töten … und eine 0 aus mir machten.

Ich wollte ja damals immer noch zurück in den Mutterbauch. Ja, dieses Zurückwollen in den Mutterbauch dauerte so lange an, bis ich meinen Platonischen kennenlernte. Nachdem ich etwa ein halbes Jahr lang von etwa dreizehn gemeinsamen in den Bauch meines Platonischen wollte, wollte ich dann aber in den Bauch meiner Katze. Dann lernte ich C kennen und wollte in seine Pullovertasche. Mittlerweile finde ich, dass auch das Zurückgehen in einen Bauch keine Lösung mehr ist- offenbar bin ich in der—–

LÖSUNGSLOSEN PHASE angekommen.

Dass ich nichts mehr erreichen kann und will, da draussen, war ein langer Prozess, eine Art Sterbeprozess, so wie sein Umgekehrtes wohl ein Irrtum basierender Prozess war: Dass ich überhaupt etwas erreichen wollte! Was für eine Schnapsidee!

Ich sehe in unserem System simpel gesagt sich prostituierende Institutionen und innerhalb dieser sich prostituierenden Institutionen sehe ich simpel gesehen sich prostituierende Menschen…. und innerhalb dieser sich prostituierenden Menschen sehe ich etwas …

…. etwas, das ich seit Jahren zu sehen versuche und das überhaupt nichts mit Verkaufen und Prostiutuieren zu tun hat ….

Das ist das Interessanteste an der ganzen Sache. Ich sehe komische, verlorene, sich selber fremde Menschen.

Trotzdem: um etwas von mir zu verkaufen (meine Kunst), müsste ich mich prostiuieren, soviel steht fest. Mit Prostitution ist alles gemeint, dass nicht auf Liebe und Freiwilligkeit beruht, da mache ich dann mal keine Kompromisse.

Ich sehe das so: um mich prostituieren zu können, und etwas werden zu können, bräuchte ich mindestens ein Wesen innerhalb dieses Systems, dieser Institutionen, dieser Menschen … einen Menschen also, der mich so gut findet, (damit meine ich das, was ich mache), so dass die Prostitution, die dadurch entstünde, dass er mich kauft, aufgehoben würde …

Ich weiss, ein komplizierter Satz.

Aber das ist Irrglauben, Täuschung und kann nicht der Fall sein, weil ich

a: nur meine kleines privates Scheissleben verschreibe, weil ich


b: nur ein kleines privates Scheissleben habe


c: insgesamt zuwenig produziere

d: es keinen Literaturkritiker gäbe, der mich gebührend kritisieren würde (sondern nur Warenbeurteiler im Instantverfahren.)

Was ist nun konkret zu tun? Ich muss mich damit arrangieren, dass das Problem des Todes durch die Kunst, möge sie noch so winzig sein, nicht gelöst wird. Dass ich zudem schwer krank bin, ohne zu wissen, wieso. Und keinerlei Zugang zu einer Medizin habe, die mich bis auf das letzte Atömchen röntgen würde. Ich bin kein wichtiger Mensch, und darum hat man es auch für nicht wichtig befunden, 15 Jahre lang, meine Diagnose Somatisierungsstörung zu überarbeiten und mir neurologische und immunologische Diagnostik so gut wie verweigert. Ich wollte ein kleiner Dichter sein, der etwas Kleines gross macht.

Kaum hörte ich auf zu krabbeln, stellte ich fest, dass Gott tot ist, aber dafür

a: mein Tagebuch

b: dass das Kosen männlichen Lippenfleischs mich den zu Seufzern des Mitgefühls unfähigen Gott vergessen lassen.

Nun bin ich etwas gealtert.


Leben ist Verwandlung. Tanzen ist Verwandlung. 2012 war ich zum letzten mal tanzen. Ich drehte mich zum Takt der Musik und stellte fest, dass ich unterhalb des Halses zu einem Kartoffelsack geworden war. Dies Verkartoffelsackisierung hatte bereits etwa vier Jahre lang, im Prinzip ab Erstausbruch meiner neuroimmunen Erkrankung Myalgic E. seinen Lauf genommen. Damals, am Anfang konnte ich nachts aber eine Kraft abrufen, die mich wie eine Wilde tanzen liess! Am nächsten Tag kotzte ich eine Woche lang und hatte Fieber. Dann ging ich wieder tanzen. 2012 zitterte ich bei jeder Drehung und verlor den Halt beim Tanzen, während sich mein damaliger Kollege und einstmalige Püppi-Literatur-Förderer XY. unter pausenlosem Stampfen schweissnass in seinen Wein hinein veräusserte und verseligte.
(13.12.19)

 

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