3004_Diary_das herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt

‚Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.‘ Eines meiner Lieblingszitate seit ich Lesen und Schreiben kann. Seit ich mich bezichtige und hinterfühle, um: schöner und tiefer, klarer zu fühlen.

Aber nun habe ich einen Sprung im Subjekt(iven). 2020 hat mir gezeigt, dass das Subjekt nur eine Quelle von Schmerz ist. Und rückblickend auf meine mehr als vierzig Jahre intuitives Sein, sollte ich mich nicht länger darauf verlassen. Zwei Ereignisse hintereinander im Herbst, haben mich in einen Schockzustand versetzt, der erste wirkte so auf mich ein, dass ich aus einem lähmenden Schlaf für mehrere Wochen nicht mehr erwachte. Ich lag geschwächt, offen auf den Dolchspitzen einer halbgeschlossenen Eisernen Jungfrau und wartete ab, was mit mir geschah. Ich wohnte nirgendwo mehr, war meiner Haut und meiner Wände beraubt, beraubt des Partners, der sich als zutiefst unpartnerschaftlich erwiesen hatte, mich mit rosigen Äpfeln gelockt und gefüttert und dann ausgesetzt und weggeworfen. Da suchte ich Schutz bei einer anderen Partnerin (einem anderen Menschen), und diese, zusammen mit ihrem Mann, stand vor meinem Bett der Eisernen Jungfrau, und debattierte über meine Paralyse hinweg, ich hätte zu packen und zu gehen.  Meine Anwesenheit sei nicht erträglich. Dies war der Moment, in dem meine Schwäche und Hilflosigkeit am grössten war. Ich hab nie einen Moment in meinem Leben von solcher Hilflosigkeit und Mutlosigkeit erlebt. Ich fand dann eine externe Hilfe, eine Person, die mir die ganze Zeit über in Brügg zur Seite gestanden hatte, gegen Geld- von der Entlastungshilfe. Sie holte mich vom vermeintlichen Unterschlupfort ab und brachte mich in meine brennende Wohnung zurück, brachte mir zu Essen und gab mir ein Lächeln. Ein wenig Menschlichkeit kam von dieser fremden Person und Frau. Schade, konnte ich sie nicht nach Bern mitnehmen. Ich würde jede Woche bei ihrem Anblick weinen, weil sie für mich zum Sinnbild dessen geworden ist, was in Brügg möglich gewesen wäre, wenn ich an einen parnterschaftlichen Menschen geraten wäre, statt an einen Blender und Verblendeten.

Und seither weiss ich nicht recht weiter. Fest steht, dass frische Traumen systematisch ihre Netze auswerfen, sie breiten sich aus. Und das, was dich gestern getötet hat; es hört nicht auf, dich morgen und übermorgen zu töten. Denn ein Trauma ist immer frisch. Ich weiss nur eins: man muss sich in eine andere Sache werfen, eine andere Welt greifen können, etwas muss mir geschehen, das stärker auf mich einwirkt, als das, was ich erlebt habe. Nur eine neue Erfahrung, die ebenso stark ist, wie die vorangegangene, kann bewirken, dass ich nicht erfriere an Ort und Stelle. Ich wünschte, ich wäre eine Andere. Aber da das nicht geht, wünschte ich mir, ich könnte mich ins Lernen und Erfahren von Geschichten, Informationen, Wissen schmeissen. Ich wünschte, ich könnte irgendein Fach studieren und ein Fachdoktor werden, ich möchte gerettet werden vor einem erneuten Rückfall in mein inuitives, subjektives Tiersein, nun, nachdem ich meine Unschuld verloren habe; mein Herz, das seine Vernunft hatte, die mein Verstand kannte!!!

Mein Herz ist herausgeplatzt beim Sturz. Daher wird es jetzt verderben. Jahrelang habe ich so gut wie ohne soziale Beziehungen gelebt, sicher, weil mir meine Intuition dies einflösste. So spät wie möglich die letzten Hiebe zu kriegen, von solchen, die es halt nicht besser wissen, und meinen Körper hinzuhalten, damit andere ihre Affekte abreagieren können, so spät, wie möglich, diesen blutigen Dunstkreis der realen Beziehungen kennenzulernen, selbst ein Teil von einer nahen Beziehung zu werden, verzaubert, involviert, endlich leidenschaftlich da, wo ich Leidenschaft  spürte, und dann dem Chaos, das der Andere, Geliebte anstellte, die vielen Schüsse, die er abfeuerte, die Abwertungen, die er einem hinterher warf, wie ein nie verklingendes Echo: ein Mensch in einer Beziehung hat meistens einmal vom Andern genug. Und er kann nicht mal sagen, warum. Also greift er nach hundert Ausreden, er zeigt sich von der scheusslichsten Seite, versucht so grausam und böse, wie möglich zu sein, weil sein Bewusstsein ihm den Satz nicht klar und deutlich zuredet: Hau ab, ich will dich nicht mehr in meinem Leben! Ich hab jemand Besseres, Neueres, Positiveres, Schöneres an der Strassenecke gefunden. Ich habe jemanden aufgegabelt, per Zufall, bei dem ich mich nicht mühen muss. Und mit dem die Nähe, die ich von dir nicht mehr ertrage, mir wieder die Naheste sein kann, solange keine Forderung erwacht. Ich kann deinen Kosenamen übertragen auf eine Andere, ich kann deine Haut und deine Brüste, die mir die liebsten und einzigen waren übertragen, ohne Unterbruch auf die Nächste, ich muss nicht warten und aus dir eine Erinnerung machen! Nein, das brauche ich nicht! Du bist mir so wenig gewesen, so habe ich plötzlich entdeckt, dass ich keine Pause brauchte von dir zu einer Andern. Bei mir hat niemand Exklusivrechte. Dir gesagt, du seist was Besonderes, etwas, das ich erst einmal erlebte, hab ich nur, um dich zu erlegen, in meine Ordnung einzufügen und dann zu verbannen, wenn du die verschiedenen andern Aspekte und Pfeiler meines Lebens konkurrierst und in Gefahr bringst. Ich bin demokratisch, für mich sind alle Frauen/Menschen gleich, Egalité…..

Ob jeder sein Programm hat, in dem er die Liebe einfügt, wie ein Puzzleteil? Man immer nach denselben Mustern vorgeht, den verhängnisvollen? Ich habe nie vertraut! Bei keinem Menschen, je. Und dass ich nun vertraute, bei diesem, habe ich nur aus Liebe versucht, aus reiner Vernunft!!!! Ich habe es irgendwann geschafft, halbwegs. Das war der Augenblick, in dem ich dachte, dass ich nun nie mehr verlassen werden kann. Weil wer sich einmal auf mich einlässt, richtig, und lange genug wartet, bis ich da bin, vollkommen da, bei ihm, der kann nicht wieder gehen. Nicht als Freund. Nicht als Mensch. Als Mann, das schon.

Was für ein Bullshit. Ein Mensch kann sich zu dir bekennen, vollkommen, und gleichzeitig baut er unterirdische Höhlen, um dir heimlich zu entkommen! Und du, Herz, das Verstand hat, Herz das eine Habichtsnase hat, das klar riechen kann, wann’s böse kommt und schief, gehst unter im Garten deiner Hingabe, zwischen lauter Bäumen mit rosigen Äpfeln und hohem Gras, im Garten, den er für dich anlegte, damit du dort eine Weile träumen kannst von ihm und dich verzehren nach ihm und eine Hingabe zu ihm schliesslich alles in dir auffüllt mit ihm. So, dass du all das vernachlässigst in einem Zusammenleben mit einem Geliebten, das nicht in dieser Hingabe geschehen kann! So wirst auch du zur Verblendeten! Und siehst nicht, dass der Verblendete sich vernachlässigt fühlt, real, weil du so sehr die Hingabe fühlst und demokratische, kleine Alltagsgespräche über dieses und jenes vernachlässigst. Solidität für den ausgesprochene und geteilte Gefühle nicht zum Alltag gehören. Aber diese Art, zu lieben, sie ist ja auch nur etwas, auf das ich konditionniert wurde, Mitte der Achzigerjahre! Aufgelesen habe ich noch diesen Glauben, dass das vollkommendste Lebensgefühl für mich die Hingabe für einen Mann ist! Dass ich sogar zuerst lieben können muss, bevor ich mich irgend einer zweiten, unterschwelligen Tätigkeit widme, wie zum Beispiel Kunst machen oder erwerben. Dass ich meine anderen kleinen Talente gar nicht entfalten kann, wenn ich nicht inkarniert u befreit werde zuvor durch die Möglichkeit, vor einem Mann schwach zu werden. Wieviele verlorene Jahre hab ich hinter mir, Jahre, in denen ich still gelegt war wie eine Mühle am Bach. Ob auf mich Verlass ist, kann ich nicht sagen, denn ich meine mit Verlass ja nicht ein pünktliches Eintreffen, sondern eine seelische Treue, ein Beieinanderbleiben wider die widrigsten Umstände, wenn einmal Liebe respektive Verbundenheit da gewesen ist. Aber nun weiss ich mehr; ich weiss, dass nur ein Mensch mit einem andern weitergeht, der nicht die Möglichkeit hat, mit einem Menschen zu brechen, weil er sonst allein ist; ein bedürftiger Mensch also. Der sich nicht verbunden fühlt in egalité mit jedem Frauenkörper. Jeder Mann, für den alle Frauen gleich sind, nämlich das, was er in ihnen sehen will, wird eine Frau ganz einfach einwechseln können, je weniger spezifische Nähe er braucht, je verbundener er sich mit Menschen generell fühlt, je weniger wirkliche Nähe und Fremde er spürt und benötigt und je grösser seine Beziehungsvorstellung ist. Leichtere Umstände kann dieser Mann wiedergewinnen und ein Leben lang Genuss und Erfüllung wiederholen, Ego kann er sich wieder und wieder neu nähren und damit Paradeläufe vollbringen.

Mehrere Erfahungen in meinem Leben haben dazugeführt, dass ich die essentielle Lust verliere, weiterhin ich zu sein. Ich bin sicher nicht die Erste, die diese Erfahrung macht an der Schwelle zum Ergrauen, spätestens. Aber es ist mir immer noch nicht klar, wie ich anders leben könnte, als auf mich bezogen, aus mir heraus, in mich hinein. Wie das aussehen würde, konkret? Beweise, dass niemand das Selbst ist, das er sein müsste, damit sich andere auf es verlassen könnten, gibt es genug. Es gibt überhaupt niemand, der es besser weiss und kann, und überall sind Stümper am Werk. Es scheint überhaupt nur zwei Möglichkeiten zu geben: entweder irgendwelchen Konstrukten auf den Leim zu gehen und unbewusste Triebe abzudrücken und also verdammt unsexy und lebensfeindlich zu sein oder intuitiv zu handeln, und damit noch grösserer Schaden anzurichten in einem Andern. Weil das Herz seine Vernunft hat, die der Verstand nicht kennt. Logo. Aber warum ist es vielen so unwichtig, dass auch das Herz einen Verstand hat? Warum scheissen zb die Männer darauf, ihr Herz mit dem Verstand aufzuklaren? Liegt den Männeraffen nichts an der Vorstellung, durch den Umgang und die Kenntnis der eigenen Gefühle mehr Genuss erleben zu können, zb. mit der Frau? Spielt der Männeraffe nur vor, er kenne die Gründe seines Herzens, dabei in Wirklichkeit, hat er überhaupt keines (Herz)?

Eigentlich würde ich gerne wissen, was Blaise Pascal, ein Mann, der im 16. Jahrhundert lebte, mit diesem Zitat gemeint hat…. er lebte doch in einer Zeit, in der sich der Mensch noch auf den Himmel bezog und in allen Teilchen von Himmel u Erde Analogien sah….eine individuelle Liebe wie auch eine freie Sprache gab es damals noch nicht. Auch keine Psychoanalyse. Also was meinte er wohl mit dem Satz? Ich muss dem mal nachgehen…..

(29.1.2021)

 

 

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