Diary_23_zu den Diaries_23_einen Besen binden möcht ich

Ich habe entschieden, wenn möglich, keine Diaries mehr zu machen. Ich müsste versuchen, jeden spontanen Drang, Diary zu machen, umzuleiten in auch nur eine winzig kleine Kurzgeschichte. Und wenn ich nur noch ein einziges kleines Porträt, ein Fragment schreiben würde; es wäre besser als nochmals fünfhundertseiten Diary. ….

Ich verhindere also meinen Drang, spontan zu agieren (ja, agieren ist das für mich!) und sammle Gedanken und spontane Eingebungen, die ja doch nur völlig beiläufig sind als solches, nur aus ihrer Beiläufigkeit heraus katapultiert werden könnten, wenn ich es schaffen würde, die Intimität in eine neutrale Ästhetik zu wenden: Literatur.

Ich bin ja an einem Punkt angekommen, wo meine Erzählung nicht mehr voll und ganz von mir gedeckt werden kann.

Aber auch: der Strom der inneren Bewegung lebt weiter ….

Wenn ich mich nun ausschweige, dann, weil ich weiss, wie tausendmal wertvoller für mich selbst ein Text wäre, im Nachhinein, wenn ich daran literarisch herum laboriert hätte.

Aber es macht so viel mehr Spass, dem Moment der Eingebung zu folgen.
Ich sage mir: ich konnte nicht anders.
Aber nun kann ich auch so nicht mehr.
Aber auch das nur: vielleicht.

Das Seltsame am Schreiben ohne Buchpublikation ist; die Arbeit, die im Schreiben steckt, das Leben und die Zeit, die im geschriebenen Wort steckt, ist wie nie wirklich da!

Ausser, in dem Moment, in dem man das Wort zum erstenmal niederschreibt! Der erste Satz; das ist: gefühlt-das Leben!

Und nun verstehe ich wieder, warum ich nicht gerne an einem Text arbeite:
Weil ich einen solchen Hunger habe nach unmittelbar gelebtem Leben!
Nach Ausdruck und Ausweg im unmittelbaren Ausdruck!

Wie lange habe ich keine grosse Stange Bier mehr getrunken! Dies nur als Vergleich!

Diese Sache, da, hat offenbar verschiedene Aspekte. Aber, ja, nach wie vor denke ich so:
Für die Sache, wenigstens für die Sache wäre etwas gewonnen, wenn ich von nun an möglichst vielen Versuchen, Diary zu machen, widerstehen würde und stattdessen …….

… irgendwann …. diese unausgewürgten Brosamen aus meinem unterbewussten Sammelbecken hervorklauben und zu einem kleinen literarischen Text verarbeiten würde.

Aber die Hürde, überhaupt noch zu schreiben, ist bei dieser Vorstellung für mich viel, viel grösser!

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Schreiben ist und bleibt eine Form des Verschwindens im Dasein.
Sätze, die sich an Sätze reihen, rasen in ihr Vergessen.
Ich selbst, als Autor, vergesse noch während ich schreibe, was ich gerade schrieb!
Man stelle sich diese Verwirrung vor, wenn ich versuche, einen Roman zu schreiben:
Ich stehe vor einer Form des ständigen Verschwindens!

Früher ging ich manchmal in die riesige Bücher-Brockenstube unten im Hirschengraben.
Die Bücher waren über zwei  (oder waren es drei?) Stockwerke verteilt. Viele Zimmerabteilungen und Winkel. Ständig kam der Besitzer der Brocki, der alte Greis, mit neuen Kisten, bis obenauf mit Büchern gefüllt aus einem Lift von irgendwoher. Er hielt mit einer Hand die fahrende Kiste und mit der andern den Bücherturm….
Er pfiff oder summte leise, mit andern Worten: er war kein unscheinbarer Alter. Aber sobald er sich zwischen seinen Kisten ans Pültlein hockte, auf dem sich eine kleine improvisierte Kassentruhe befand …. da verschwand auch er …. sein silbriges Haar verschwand ….

Fenster gab es in diesem Stock, jetzt erinnere ich mich, im mittleren, keine. Der Alte war also von Sätzen umgeben, fensterlos umringt von einem unsichtbaren Schwall an gestern Geschriebenem.Es gab auch Bücher, in denen noch niemand geblättert hatte. Bücher, die heute schon vergangen sind, bevor es gestern wurde.

Zu unterst im Keller konnte ich eine Bücherwand verschieben und gelangte in eine Art hintersten Winkel … dort waren an der rohen Betonwand die Jeremias Gotthelf Ausgaben mit den aufgemalten Schnitzereien von (?) aufgereiht … schwere, schöne Bücher …. und inwendig dieser Ton ….Auweia, dieser Ton!!!! Belehrend, von Frömmigkeit predigend, goldene Sonntagmorgen, glanzvoll, wie unter Halluzinationen gezeichnet durch akurat und mühselig angewendete Sprache … Erzählungen von einer Welt, die hier stattfand, vor ca. dreihundert Jährchen … als …..das Mädchen im „Besenbinder“ den schweren Wagen mit den Besen den Nydeggstalden hochstemmte …..

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Ein einzelnes Wort kann bereits gewählt werden müssen.
Was ist dagegen ein ganzer Satz!
Sätze, die man aneinanderreiht! Sätze, die zu Büchern werden!
Und das innendrin! Ich meine damit:
es braucht so viele Worte für so wenig Vergänglichkeit!

 

 

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