In the Misfits sind alle Figuren von einer besonderen Tragik und Versperrtheit umhaucht. Vielleicht war das nicht John Hustons Absicht, als er vorhatte Arthur Millers Vermächtnis an Marilyn Monroe als eine Art Western auf die Leinwand zu bringen.
Clark Gable in der Rolle des alternden Cowboys Guy, erlitt einen Tag nach Drehabschluss einen Herzinfakt und starb zehn Tage später. Montgomery Clifts Leben endete 1966 mit Fünfundvierzig Jahren nach einem Leben im Suff, Autounfällen und mit mehrmals vernähtem Kiefer. Was aus Eli Wallach wurde, der während des Krieges in der US-Army diente, weiss ich nicht, im Film spielt er den psychisch gebrochenen und nicht wenig verschrobenen Guido, einen Mann, der es nicht schaffte, seine an Schwangerschaftskomplikationen verstorbene Frau wegen eines geplatzten Autoreifens ins Spital zu bringen. Sein ganzer Stolz ist eine vom Krieg hinterbliebene Fliegerjacke.
Was mit Marilyn passierte, muss man nicht erzählen. The Misfits war ihr letzter Film, ihre eigentliche erste tragische Rolle. Auf den Leib geschrieben hat ihr diese Rolle Ehemann Arthur Miller, ein Geschenk, eine Verklärung und eine Verarsche. Miller war während den Dreharbeiten bereits dabei sich in die mitwirkende Fotografin Inge Morath zu verlieben, die er drei Monate später heiratete. Wie so oft es geschieht, kleidet auch Miller seine Protagonistin in seinem Kunstwerk mit einer fast weisen Hellsichtigkeit, während er über die wahre Figur in einem Interview u.a. Folgendes sagte: „Sometimes we have to sacrifice someone. Also the jews have been sacrificed…..“ (was für ein Vergleich!!?)“. Miller, so erklärt er, wollte nicht mit Marilyn in den Abgrund gezogen werden, in jene suizidale und destruktive Spirale, der sie seit ihrer traumatischen Kindheit als Waisenkind nicht hatte entfliehen können, auch nicht, als sie endlich ein Star geworden war, ja, erst recht dann nicht.
In ihrem letzten Interview, das Marilyn in ihrem Haus in Brentwood, einem Reporter gibt, sagt sie, vom Champagner gelöst, und an vielen Stellen hell kichernd: „I wish I were a Cleaning Woman.“ Sie hätte lieber die Räume der Columbia Pictures geputzt, meint sie, und …. mein Gott …….. was kann man von diesem Satz schon ableiten……. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
…. Tatsache ist, dass Marilyn selbst erkannte, schon sehr sehr früh, dass sie niemals, wirklich niemals für das geliebt wird, was sie ist. (So wie wir alle, übrigens!) Und so hat sie ihre Reize eingesetzt( die manchmal Leistungen auch verschleiern, ja, extra), und gehörte allen (Männern), während im wahren Leben sogar der letzte Ehemann (the Brain) dafür sorgte, dass die Verletzungen tiefer werden, statt matter.
Okay, es war schwierig geworden mit der tablettensüchtigen Marilyn, dem nach Liebe hungernden Kind, in Hausgemeinschaft zu leben. Mann einer Ikone zu sein, der schönsten Frau der Welt, mit der er sich, logo, auch schmücken wollte, muss Miller in seiner Eitelkeit bald kleine Stiche versetzt haben. Also wollte er sie loshaben. Aber: warum blieb er denn nicht ihr Freund? Warum war es nicht möglich, mit einer gewissen Distanz, Marilyn weiter zu begleiten….? Wozu ist ein Brain denn da….auch….. !? frage ich (auch eine Dumme, aber ohne Kompensierungsmöglichkeiten)
„Nichts kann leben, ohne dass etwas Anderes stirbt.“
Diesen Satz lässt Arthur Miller in den Misfits, einem Werk von epischem Ausmass, seinen alternden Cowboy Guy zu Roslyn sagen. Die drei Männer (Guy, Guido und Perce) sind, begleitet von Roslyn, in der Wüste Nevadas, um ihrer Freizeitbeschäftigung oder besser Nebeneinkommensbeschäftigung nachzugehen; sie fangen und erlegen Pferde, die später zu Hundefutter verarbeitet werden, eine Tätigkeit, die kaum mehr was einbringt, und der Guy heute zum letztenmal nachgeht, weil er sich die Freiheit nicht nehmen lassen will, zu tun und lassen, was er will, weil er ein Cowboy ist, der leben kann, wenn etwas Anderes stirbt.
Auch Guido ist fuchsteufelswild, dass Roslyn, der begehrte und zugleich feindliche weibliche Eindringling so ein Theater macht, und die Männer davon abhalten will, die Pferde zu fangen. Er, der Roslyn, wie jeder der drei Männer in einem „schwachen“ Moment einen Liebesantrag gemacht hat, im Auto, auf der Fahrt in die Wüste:
„Ich kann nicht landen, nicht hier, nicht auf dem Mond. Hilf mir! Oder sag wenigstens ein paar nette Worte zu mir! Ich habe noch nie zu jemandem: Hilf mir gesagt!“,(stark!!!!!!)
er Guido, der Kriegsflieger, will Guy unbedingt davon abhalten, sich von einer Frau brechen lassen ….. brechen lassen in seiner ganzen Identität! Denn was ist das Anderes: aufhören mit dem Pferdejagen, als aufhören ein Cowboy zu sein?! Aber wie gesagt: The Misfits ist kein Western. John Huston sagt, er wollte einen Western machen. Das Resultat war dieser grossartige Film über drei Männer und eine Frau (zwei Frauen, wenn man die witzige und geniale Isabella Steers dazuzählt). Und jeder dieser drei Männer und diese Frau bringen ihre eigene, unerzählte, dem Ersticken nahe Tragödie zum Vibrieren. Es sind die Tragödien der Menschen hinter den Rollen, die die Rollen per Zufall? durchdringen, sodass es die Schauspieler sind, am Schluss, die ihre eigenen Rollen spielen. Und wer weiss, vielleicht gab es darum so ein Desaster am Set …?
‚Nichts kann leben, ohne dass etwas Anderes stirbt.‘
Das Motto eines Herrn Millers respektive des Films, der mit einer Scheidung beginnt, dem Ende einer Liebe. (während für einen der beiden Ex-Liebenden schon die neue Liebe am Start steht). Eine Liebe also stirbt, damit eine neue leben kann. Verzweifelt versucht Roslyn sich vor dem Spiegel den Text zu merken, den sie dem Gericht vorsprechen will …. „Er war gemein… und hat meine Rechte … hat…… …..aber warum kann ich denn nicht einfach sagen, er war nicht da?!“
Lol.lol.
Ich habe gesagt, dass Miller Monroe in diesem Film beschenkt: Drei Männer, zwei davon seelisch verkrüppelt, einer am Ende seines Lebens, voller Ressentimens, lässt er im Angesicht von Monroe weich werden. Sie offenbaren Roslyn ihr Herz, sie vertrauen sich ihr an! Jeder ist bereit, für sie sein altes Leben aufzugeben und neu anzufangen, mit der Empathie und blendenden Schönheit, die von ihr abstrahlt. Aber eben: gleichzeitig nimmt er, Miller, Marilyn, das, was er ihr auf der Leinwand zugesteht, wieder weg, indem er ihre Dummheit („she was silly“, Miller) persifliert. Sie kann sich nicht einmal jenen Satz merken, mit dem sie dem Richter beibringen will, warum sie von ihrem Mann die Scheidung möchte ….
Okay, diese naive Dummheit war nebst dem Sex (was ja Einszueins ging SillyWoman&Sex) Marilyns Rolle, von ihr selbst bis ins kleinste Detail perfektioniert ….. wie hätte ein Film ausgesehen, in dem Marilyn nicht diese Rolle spielt, sondern eine komplett andere ….?
Der Schriftsteller Arthur Miller wäre hier gefordert gewesen noch weiter zu gehen. Aber ja, auch Marilyn, die in ihrem letzten Interview sagt: ich wäre lieber Putzfrau gewesen…. wäre weiter gefordert gewesen. Sie kam schon etwas ins Alter ….ihre Karriere würde bald andere, vertieftere Rollen verlangt haben … dreissig Tage blieb sie dem Set ihres letzten unvollendeten Filmes „Something’s got to give“ fern, vermutlich aus guten Gründen, worauf sie von den Studios gefeuert wurde und den letzten Halt verlor …..
So bleibt The Misfits Marilyns letzter grosser Film, der Film eines Mannes und einer Frau, eines Rollenkörpers und eines Rollengehirns, die sich zusammen nicht neu erfinden konnten.
Für Marilyn ist es die einzige grossartige Rolle in der Rolle als Marilyn, gespielt von Marilyn, einer Kunstfigur, so echt und berührend, wie nur ein Mensch in Echt sein kann…. was sich, wie aus dem Film hervorgeht, zu Zeiten von Marilyns Höhenflügen, alle zu Nutze machten ….
John Huston hat offenbar auch einen Grund gehabt, warum er Marilyn auf dem Höhepunkt des Films in einem Weitwinkel filmt. Weit weg, zu einem kleinen Punkt geschmolzen, in der Wüste Nevadas, steht sie und schreit: „You are lier! You are murderer! Ihr seid nur glücklich, wenn ihr zusehen könnt, wie etwas zugrunde geht! Ihr seid alle tooooot!“
Roslyn ist ausser sich, sie kreischt und schreit, sie ist wütend …… um dem Sexsymbol, Unschuldchen, der weichen, empathischen Frau diesen brachialen und unverdaulichen Ausbruch zu ermöglichen, musste der Kameramann den Fokus von ihrem Gesicht, ihrem Körper wegnehmen, und die Frau in eine leere Weite stellen, die an ihren Rändern erodiert……
„Lass dich nicht verbiegen, ich kenne das!“, sagt unterdessen Guido zu Guy. „Zuerst tun sie so als ob, dann nehmen sie uns alles!“
Oje, der arme Guido kippt und hasst jetzt die Frauen allesamt
(ich kann ihn verstehen, weil er in sich einblicken liess, weil ich diese Schwäche habe, immer, mich mit den Radikalen zu solidarisieren…mehr als das: meine Lieblingsschriftsteller sind fast alle fast unverhüllt Misogyne, was doch, oh Gott nur „Misanthrop“ heisst, aber auch das, Misanthropischsein ist doch gerade nochmals etwas Anderes als das, was es scheint, das den Mis-an-thropen vorgegangen ist….nicht? Und das ist ganz bestimmt etwas Menschliches!? Ev.sogar etwas Menschlicheres, als das Etikett: Menschenfreund, wer weiss…. ich liebe also weiterhin den Mann, der in seinen Gefühlen zu mir ständig kippt, rein theoretisch…ihm, der kippt, kippe ich meinerseits zu, nicht demjenigen, der verkündet: meine Weste ist weiss. Was die Rollen mit uns machen, die Geschichte und Kultur mit mir machte, das tangiert mein gesundes Selbstvertrauen nicht….nein, so unbekümmerte Gleiche kann ich nicht im Kern lieben, ich liebe Marilyn, ich liebe Arschloch Miller und ich bin etwas in Judith Butler verliebt…..usw., ich meine, das sind die Folgen, dass ich Bilder „lieben“ muss, „Mythen“, „Legenden“ von meiner erbärmlichen Illusionsschachtel, dem Abandonment aus….)
Aber Guy, ambivalent genug, um Mensch zu sein, ist noch hin und hergerissen. Soll er die Pferde loslassen, die, mit Stricken zusammengebunden am Boden liegen? Und wenn er es tut: wird er dann nicht selber am Boden liegen? Die Zuschreibungen, die man sich selbst gibt, sind grosse Gebilde! Es braucht lange, seine eigenen Glaubenssätze zu demontieren. Es ist doch schon gut, wenn man sie in ihrem Statischsein etwas anstupft….
Es wird Nacht. Leuchtende Sterne tropfen auf die vier verlorenen Figuren herunter, den Regisseur, der den Film zusammenhalten wollte, den Autor, der nur noch weg wollte….Perce ist die ganze Zeit sehr schweigsam.
Es lohnt sich, den Film in Originalsprache zu schauen, man vernimmt dann die ganze Zerbrechlichkeit Marilyns in ihrer Stimme. IN der deutschen Übersetzung lässt Perces sanfte, im Reden verklingende, tief traurige Stimme aufhorchen. Auch seine Zeit, die Zeit des Rodeodrivers, ist vorbei. Als er zum letztenmal vom Stier fällt, taucht er anschliessend mit einem Kopfverband vor dem Häuschen Guidos auf. Zu besoffen, diesen Wickel zu bemerken, langt er sich an den Schädel und fängt an, rumzuschreien. „Wer hat das getan?!“, ruft er. „Wer hat mir dieses Zeug umgebunden?“ Roslyn kreischt wieder vor Angst, als sie sieht, wie Perce seinen Kopf langsam aus dem Verband wickelt, der im Nachtlicht weiss aufleuchtet. Guy, der ebenfalls stockbesoffen nach seinen Kindern ruft, die er ein Leben lang im Stich liess, Guido, der vor Eifersucht auf Guy und Wut auf das Schicksal auf sein Haus einhämmert (das Ferienhäuschen in der Wüste bei Reno, in dem sie während ihres Aufenthalts logieren), das er niemals fertig baute … nachdem seine Frau gestorben war, Perce, dessen Schädel auseinanderbricht und …. Roslyn….. in einem wunderschönen, taillierten weiss leuchtenden Blumendkleid…. verfangen sich darin, ich meine in den Wickeln dieser gelösten Gaze, alle verfangen sich darin….herrlich.
Es ist eine tolle Aufnahme, die noch übertrumpft wird vom Kampf, den sich Guy schliesslich mit den Pferden liefert, nachts, unter dem Sternenhimmel Nevadas. Er wird die Pferde freilassen, aber noch lässt er sich an ihren Stricken über den Wüstenboden schleifen ….die Pferde ziehen den alten Cowboy schürfend hinter sich her. Als er loslassen kann, verdankt Roslyn es ihm mit ihrer Liebe.
Clark Cable legt Marilyn im Abspann den Arm um die Schulter. Mit sentimentalem, erschöpftem Blick schaut er auf seine Rolle als Clark Cable zurück. „Aber wie findest du den Weg nach hause?“, fragt Roslyn vieldeutig und er zeigt unter den Sternen auf denjenigen, der am grössten ist. Hihi. Ich glaube, er nennt sie noch einmal Kindchen, er beruhigt sie. Sie lehnt ihren Kopf an seine Schulter und über ihren Augen, die voller Licht sind, schliessen sich die langen künstlichen Wimpern.
Die starke Schulter eines Mannes zum Anlehnen. Vergass ich noch unbedingt zu sagen.
(The Misfits, ein Film, der an Aktualität längst nicht alles eingebüsst hat, obschon man das Vergangene gerne als verstaubt bezeichnet und sich die Binden nur verändern, nicht lösen)