Diary_3004_Oktober_und zum Schreiben_Zauberberg_Raven ist nicht da

Wieder so stumpfselig, weil ich nur noch alle zwei bis drei Tage an meinem Manuskript (die ca. 10tägige Pause während der Blutungsabzahlung rechne ich nicht mal dazu) arbeiten kann. Dazwischen liege ich auf dem vom Wetter durchwetzten Liegestuhl und lausche Mahler, Adagietto no.5. Musik, so exzessiv schön. Und doch kann ich nicht in diese Erschütterung von letztens einmal (lange her? Tage? Wochen?), als ich in den sich aufbauenden Wellen plötzlich Raven sah, wie in den weichen Kreisen dieser erschlagend schönen Violinen kreisen, am stahlblauen Himmel. Musik und Vogel hatten wohl eine heimliche Verabredung zum Gemeinschaftswerk…. ich, weit unten, auf meinem Stuhl, muss laut und sichtbar geweint haben, so dass die Köpfe in den hin und her fahrenden Betonmischler sich mir kurz zuwendeten. Aber ich darf ja so laut heulen, wie ich will, Raven! Ich bin eine Frau! Fiel mir ein. Und dass ich mir das nicht nehmen lasse, gerade zum Trotz, weil man sich jahrzehntelang respektive mehrere Jahrhundertelang an meinesgleichen Weinen und Schmerz belustigte! Nur eben kann ich seither, seit diesem schönen Dahingerafftwerden in Mahlers konzentrischen Kreisen, in Ravens Flügelschlägen, nur mehr wieder stumpfselig und dekadent meine Stunden verbringen, indem ich unzählige davon damit verbringe, Schmuck von unterschiedlichstem Gestein zu googlen und zu vergleichen, Listen zu erstellen, Saphire, echte von falschen versuchen, zu unterscheiden, die Fassungen, in denen die Gemstones liegen, zu prüfen, Blümchenformen, dann wieder simples oxidiertes Silber zu favorisieren. Und allem voran immer wieder: the black Diamond! Aber den, ehrlich gesagt, gibt es nicht auf Etsy und nicht sonstwo im Netz zu bewundern. Also denk ich, the black Diamond: das ist ja sowieso mein Raven, die Kunst seines Flugs, seines Flatterns! Die Kunst, mit der er mich am Flattern hält, während mir der stumpfsinnige Alltag mit Myalgic E/Chronic Fatigue Syndrom das Leben austreibt, im wievielten Jahr, und ich nicht mehr stundenlang schreiben kann, ganze Tage und Wochen nicht mehr denken kann, (was vernünftig ist! Ich meine, der Versuch, zu denken!), um nicht den süffigen Schmerz zu suchen, den ich jetzt in ihm, meinem kleinen Pinson, verloren habe. Ihn, den ich in Mahlers Sinfonien liebe, indem ich mich aufbäume und diese Liebe noch einmal erschaffe in mir, aber gleichzeitig, so leicht, ihn nicht mehr liebe und vergessen habe, wie man alles vergisst, im Gehirn. Und überhaupt; was ist das: ein Fetischieren des Eros‘?! Bitten um alles, nur nicht, um innerlich tot zu sein, und den Stillstand des gleichzeitig im Feuer prasselnden Körpers um einen Stillstand einer Melodie eines fluideren Inneren zu ergänzen?! Schmerz, natürlich, den körperlichen, den hab ich. Aber der bedeutet mir nichts, ich weiss nicht mal, ob ich diese mühsamen Stechereien überhaupt noch richtig wahrnehme, über viele Strecken hinweg. Aber dennoch, auch die verschiedenen Formen des exzessiven (Vegetierens) brauchen ihre Ergänzung in irgendeiner Form von Arbeit! Und arbeiten kann ich immer weniger, weil die Erholung des Mitochondriums immer länger hat. Also bin ich und gleiche ich dieser mittelalterlichen Dame in Manns Zauberberg auf Seite 430….. die hundertmal am Tag nichts mehr anderes macht, als ihre Farben, ihren Schmuck zu wechseln, während die Krankheit ja doch ihre Haut überzieht, die Agonie ihren Anbick verzehrt. Aber über dieses Warten auf den Tod, der mal näher mal ferner, über ihren Körper, breitet sie ihre falschen oder echten Juwelen, ihre kleinen Anekdoten, während ihr Pneumothorax rasselt:

„Aber auf Nummer fünfzig lag Frau von Mallinckrodt, Natalie mit Vornamen, mit schwarzen Augen und goldenen Ringen in den Ohren, kokett, putzsüchtig und dabei ein weiblicher Lazarus und Hiob, von Gott mit jederlei Bresthaftigkeit geschlagen. Ihr Organismus schien mit Giftstoffen überschwemmt, so dass alle möglichen Krankheiten sie abwechselnd und gleichzeitig heimsuchten. …. …. bald trank sie aus der Schnabeltasse, die Finger ohne Ausnahme der Daumen bis zu den Gelenken mit Opalen, Amethysten und Smaragden beladen, erzählte, während die goldenen Ringen an ihren Ohren schaukelten, wie alles sich mit ihr zugetragen: von ihrem anständigen, aber langweiligen Mann, ihren ebenfalls anständigen, aber langweiligen Kindern, und von dem halben Knaben, mit dem sie das Weite gesucht und dessen poetische Zärtlichkeit sie sehr zu rühmen wusste ….“ usw.

Aber ja, natürlich wird man dekadent, wenn man über Jahre nichts mehr arbeiten kann! Zizek sagte: ich sage: Zizek sagte: Arbeit macht … Lol. Nein. Ich muss denken, bevor ich etwas sage. Also sage ich: Arbeit macht ruhig! Arbeit hilft mir, eine vernünftige psychische Tagesform zu erreichen. Arbeit ist ein unerlässlicher Teil des Ganzen….

Natürlich kann ich ein wenig Reden, aber zum Schreiben reicht es nicht mehr oft: dem Schreiben, für das ich zuerst denken muss, dazu nicht….. ergo bin ich gezwungen, mit dem Denken viele, viele Stunden zu pausieren… die plattgewalzten oder herausgerissenen Strukturen in meinem Gehirn … zu überbrücken. Doch womit?

Bitte um Entschuldigung, dass ich mein eigenes Fin de Siècle auskoste…. Point.

(But the Black Diamond: Anyway! That’s Raven!)

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