Warum mich Melancholia von Lars von Trier wieder weinen machte

Was macht es mir aus, wenn Melancholia die Erde zerschlägt? Angst hat mich aufgegeben, Angst, von der ich viele Jahre zehrte, auch sie …. was mich erschüttert beim zweiten Filmabend mit Lars von Triers Melancholia ist das immerwiederkehrende Motiv des riesigen Planeten Melancholia, während das Intro von Wagners Tristan und Isolde ununterbrochen wellenförmig auf den Höhepunkt zusteuert … dieses Bild, ich meine, dieser Planet Melancholia, der den ganzen Himmel, die ganze Bildbreite der Kamera ausfüllt, indem er immer näher kommt ….

…. Justine, die in sich von der Negativität der Depression ausgefüllt ist, hält Claire und deren Kind an den Händen. Sie sitzen in der Zauberhöhle, unter losen Holzpfählen, Melancholia wird innert Minuten einschlagen, aber Justine hat in der letzten halben Stunde vor dem Ende der Erde und des Menschenlebens gegenüber dem ängstlichen Kind die Idee einer Zauberhöhle geäussert. Ein paar aneinandergelehnte Äste können nicht mal vor Hagel schützen, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Justine im Moment des Zusammenbruchs der Erde ihre eigene Auferstehung erlebt aus der Knechtschaft ihrer zerrüttenden Depression …..

… die Kraft ihrer Negativität wird zu einer Kraft des Lebens, Justine (gespielt von einer wahnsinnig eindrücklichen Kirsten Dunst), kann jetzt nicht zusammenbrechen und wird zum einzigen Halt der verzweifelten Claire, die das Leben, die Erde, das Kind, die Positivität und zu guter Letzt die Angst (die mit der Positivität zusammenhängt), nicht aufgeben kann ….

… Charlotte Gainsbourgs Mimik wenige Minuten vor Schluss ist herzzerreissend, Melancholia wirft ein helles Licht auf die Erde, eine Art Scheinwerfer, Melancholia grollt in einem dumpfen Ton durch die Atmosphäre, immer lauter, immer bedrohlicher ….

dieser Film ist so grossartig, weil er die Grenzen der Todesverleugnung aufzeigt, und die Kraft des Anderen, der Negativität hervorkehrt, ohne die es auf der Welt zum Ersticken wäre ….. allerdings ist es das mehr und mehr …. aber nicht, weil die Katastrophen aus einer Negativität oder einem Pessimismus hervorgehen würden, sondern wegen diesem fürchterlichen Hunger nach Mehr – und was ist das anderes als Positivität, soviel davon, dass der Tod und alles Schwere, als notwendiger Gegenpol zur Positivität, abgedrückt werden muss …. und dadurch der wahrhaftige Todestrieb freie Bahn hat.

… Der Tod und das Schwere in Melancholia ist kein Tod wie in einem sonstigen Horrorfilm, es ist kein menschlicher Todestrieb, er hat etwas Reines und Schönes, aber auch Unbegreifliches, ja, etwas unbegreiflich Schmerzhaftes …. er bringt die Apokalypse.

Aber Angst vor der Vernichtung, nein, die habe ich nicht gespürt, während Melancholia näher und näher rückte zusammen mit Wagners Erlösungskomposition, dem wohl temperierten ersten Teil. Jedoch habe ich eine solche Einsamkeit verspürt, eine solche Verlorenheit …. nicht, weil Melancholia in die Erde einschlägt …. sondern, weil ich daran denken musste, wie dieser Einschlag des riesigen Planeten in die Erde, diese Auslöschung, wie das Ende einer Liebe ist…..

… dass dieser Anblick von Melancholia, zusammen mit dem unerträglich schönen wagnerischen Intro von Tristan und Isolde, alle Beziehungen, die man zu Lebzeiten hatte wie zu Lebzeiten auslöscht und vergessen macht, so, als hätten wir uns nie geliebt, er und ich, und jener und ich …. als wäre das alles Millionen Lichtjahre weg angesichts des universellen Ereignisses …

… und dies machte mich verdammt nochmal wieder Giesskübeln heulen!!!!!

… nicht, dass die Erde mit einem Schlag auseinanderbrechen wird, wenn Melancholia einschlägt, hat mich erschüttert, sondern nur die Einsamkeit, die dieses gutmütige Herannahen von Melancholia im mir intensivierte, dieses Gefühl, aufgeben zu müssen in der Vereinzelung ……

Mein Leben ist zu klein und kurz, um Shit zu sein.

Aber die Liebe, wenn man sie erlebt, muss kollidieren mit Melancholia, die Liebe, wenn man sie erlebt, will man nicht hergeben gegen das gigantisch grosse herrliche Nichts!!! Die Erde kann zerschellen, immer, aber nicht, wenn man jemandem von ganzem Herzen hingeneigt ist. Nicht wenn einem die Liebe zustösst!

Justine war in ihrer Depression komplett allein, abgesondert, fast aufgehoben. Sie musste nichts und niemanden loslassen, weil die Grausamkeit einer Depression einen schon von allem und jedem provisorisch oder für immer abtrennt.

Es ist schwer zu erklären, aber wer die Depression kennt, versteht jede Geste, die dumpfe abgelöschte Unzugehörigkeit, in der Justine lebt und mit der sie alle gutgemeinten Ratschläge ihrer Umgebung abwehrt

… es ist eine Form von Leben, depressiv zu sein, ja, sicher, aber sie stösst den Nichtdepressiven vor den Kopf … die Dreistigkeit Justines ist für die gesunde Claire nicht nachvollziehbar, ihre anscheinende Kälte, die in Wirklichkeit eine pumpende verpuppte Wärme enthält …(auch da, fantastisch gespielt von Kirsten Dunst, die ich schon in The Virgin Suicides diabolisch gut fand).

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