Glaubenssatz, Heft Eins, Kapitel 3, Blindbewerbung, Auszug

Die Krux ist, zumindest seit sie wieder sterblich war und also über mehrere Jugendjahre hinweg, fing die Bewerberin an, zu glauben, sie sei etwas Besonderes, weil ihr Körper näher am Tod gebaut war, als jener der anderen, die in der Regel wie Maschinen funktionierten, ergo waren sie auch nichts Besonderes. Denn wann waren Maschinen jemals etwas Besonderes? So der damalige Glaubenssatz der Bewerberin! Maschinen können nicht verführen. Maschinen können nicht zauberhaft sein. So ihr damaliger Glaubenssatz! Nicht aus ureigenem Antrieb etwas erschaffen. Glaubenssatz! Maschinen sind unbeseelt, erinnern an die Kraft, die dem Sein das Leben aushaucht: an den Tod.  Glaubenssatz! Und das ist die Krux, zumindest gewesen im Leben der Bewerberin: Sie wollte ein zauberhaftes Leben, wollte selbst zauberhaft sein und in allem, was ihr begegnete, etwas Poetisches sehen. Wollte mit Leuten zuerst eine intime, persönliche Erfahrung teilen, dann erst das monotone und ausgelaugte Gefühl des Erwerbslebens! Das ausgelaugte Gefühl des Erwerbslebens, das Erwerbsleben überhaupt, erinnerte die Bewerberin, bei der es sich wohl um einen ganz normalen Menschen handelt, sonst nur an die physische Brüchigkeit und psychische Wurzellosigkeit des Lebens! So der  Glaubenssatz meiner Bewerberin!

(2014)

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