Diary_22_3

Das Einzige, was ich nach so vielen Jahren erkannt habe, ist, dass mein Gehirn disabled ist.
Natürlich ist da die körperliche Krankheit, aber diese ist relativ klar umrissen (Myalgic E.nach den Internationalen Konsenskriterien).
Die Behinderung meines Gehirns habe ich im Gegenzug dazu nie verstanden.
Es scheint mir so, als fehlten mir im Gehirn gewisse wichtige Bahnen od Strukturen. Als wären ganze Teile meines Gehirns leer. (und also kann ich auf diese nicht zurückgreifen).
Mein ganzes Denken spielt sich im Prinzip vor dem Denken ab. Es ist eine Art rudimentäre Übersetzung aus dem sinnlich, Intuitiven, ein rasend schnelles Auftauchen u Verglühen. Meine Intuition ist sogar schneller, als meine Emotion. Und die Probleme in der Regulierung der Emotionen geht aus dem Problem dieses Gehirns hervor: ich kann nicht denken. Mein Denken kristallisiert sich nicht, setzt sich nicht. Es ist kein kausales Denken. Es sind nur: sinnliche Wahrnehmungen!!!
Und also: ich konnte mir die Welt, in der ich lebte, nicht denken.
Lehrer u Erzieher, Arbeitschefs u Psychoshrinks haben es mir nicht erklärt: dass mein Gehirn behindert ist. Ich musste es selbst rausfinden. Und es dauerte viele, viele Jahre.

Lange vor der körperlichen Erkrankung war es für mich sehr anstrengend mit diesem Gehirn zu leben: einerseits spürte ich, dass etwas damit nicht stimmt andrerseit fühlte ich mich gezwungen, diese Sonderbarkeit zu kaschieren…. hatten meine Schulkameraden fünf Minuten, um die Zusammenhänge einer geschichtlichen Schlacht zu begreifen, hatte ich 3 Stunden, wobei ich minütlich wieder vergass. Im Orientierungslauf wurde ich Letzte; dies, obschon ich die schnellsten Beine hatte.Eine Roadmap zu lesen, ist für mich wie im Schlamm versinken.

Es ist natürlich so, dass ich aus der Not eine Tugend machte, (indem ich mir sagte: ich will anders sein),  aber da ich nirgendwo erfolgreich war und an meinem Leben litt, gehe ich davon aus, dass ich mir meine Freiheit nicht entrissen habe aus einer vernünftigen Überlegung heraus. Oder gar aus Verwegenheit.

Ich hatte weisse Wüsten im Gehirn, Erosionen, wenn ich mit den Anforderungen da draussen konfrontiert wurde. Ich hatte keinen Zugang zu diesen Strukturen, die menschliche Gesellschaften für Menschen geschaffen haben. Es kam mir so vor, als wären diese Strukturen nicht für mich geschaffen. Und also musste ich mich selber erschaffen, ohne auf Stützpfeiler oder Codes dieser Strukturen zurückgreifen zu können.

Es braucht viel Kraft, sich selbst zu sein. Ich meine: wirklich sich selbst.
Wie mein Gehirn, dem ganze Teile fehlen, so dass ich nicht denken kann (oder nur, wenn ich sinnlich fühlen kann, sinnliches Wahrnehmen übersetzen, aber das ist nicht denken), so entgleite ich mir selbst…… sobald ich versuche, mich festzumachen.
Ich werde natürlich immer ein Gespenst bleiben, auch für mich, solange es keine Menschen gibt, die sich mit mir auseinandersetzen. Und keine, die es zu lassen, dass ich mich mit ihnen auseinandersetze.
Ich muss im Präteritum schreiben. Zuviele Jahre und Jahrzehnte sind jetzt durch. Und ich brauche das Präteritum, um all das Verlorene, Missverständliche abzuhaken. Mein Leben war ein Irrtum. Ich war ein Tier, und versuchte Mensch zu sein. Irgendwie so. Um ein Mensch zu sein, der denken versucht, verbrauchte ich enorme Mengen an Energie. Mein Gehirn kam wohl ab irgeneinem Zeitpunkt nie mehr zur Ruhe, und da hörten auch die nächtlichen REM-Phasen auf.
Ich bin wirklich müde.
Sehr sehr müde.

Bei den täglichen CNS-Steinschlägen, den Flu-Symptoms, der zellulären Schwäche-Sickness etc. ist es sehr schwierig, einmal zu fühlen, dass man müde ist.

(22.3.21)

Selfi 2021
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