Diary: 12.6.18 Im Bahnhof

Lungertest etwa eine Stunde im Bahnhof rum. Musstest einfach mal wieder das Leben sehen! Bist früher oft zum Bahnhof, wolltest einfach da sein, wo das Leben ist und hast es dann da erst recht vermisst. Hast nie das Zentrum der Welt erreicht, nie ihre Mitte. Oder vielleicht doch; in dem du begriffen hast, jedesmal, dass es dieses Zentrum nicht gibt, dass das Leben nirgendwo statt findet….

Oh, dieser Hunger nach Leben! Quasi in die (Quarantäne) Krankheit musstest du hinabreisen, um die Sehnsucht nach Leben – diesen Hunger der wie eine Krankheit war nach mehr Leben, echtem Leben – vergessen zu können.) Anyway.

Welches Leben meintest du? Von welchem Leben sprachst du, als es dir noch möglich war, auf zwei Beinen aufrecht mit glühendem Kopf und vor Sehnsucht brennenden Augen stundenlang durch die Menschen-Strassen zu laufen ..?

Hast es nie geschafft, einen einzigen Menschen dazu zu bringen, still zu stehen,
zusammen mit dir. Bist die gewesen, die sich abtrennt und in der Abtrennung wie eine Folie gleichzeitig nach Vereinigung schrie, einer Zusammenkunft mit den (fremden) Menschen. Paradox.

Weiss noch, wie ich mal auf einer Party (ziemlich betrunken jedoch) an der Bar zu einem Kollegen, der neben mir stand, sagte: während wir auf die Tanzfläche schauten: „Und ich gaffe, gaffe, gaffe, gaffe all die Männer an!“
Und meinem Nachbar fiel von dieser Bemerkung der Kinnladen runter. Er schaute mich an, als wäre ich ein seltsames Insekt!

Hab das immer verstanden; bereits im blossen Zuschauen und Anschauen menschlicher Gesichter alle Konventionen zu brechen; wie man anständig und elegant ignoriert!
Wie man zu Boden schaut, weg, auf die Uhr, gerade in dem Augenblick, in dem man einen sehen will und etwas darin (seinem/ihrem Gesicht, Blick, der Erwiderung) etwas Elementares erkennen muss ….!!!!!!!!!

Am Bahnhof sieht man einerseits diese Menschen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit von irgendwoher kommen und sehr wahrscheinlich auf dem Weg irgendwohin sind; die Durchreisenden, meine ich, ja! Oftmals schreiten sie gerade aus durch die Menge, ihr Blick ist zielgerichtet und ihre Kleidung kann von funktional solid bis elegant oder schick alles mögliche sein. Ein ungemeiner Ernst, eine Korrektheit geht von einigen von diesen Menschen aus.

Dann sieht man andrerseits jene, die auf dem Weg zu nirgendwohin sind, und dies mit mehr oder weniger grosser Lässigkeit. Über ihre Erscheinungen muss ich nichts sagen. Sie wirken durch Bummelei, Hängerei, Pöbelei. Sie hocken auf den Treppenstufen der Heiliggeistkirche, auf dem Boden bei der Auffahrt zu den Rolltreppen. Einige von ihnen haben ihre Scham komplett verloren, andere – wer weiss – haben vielleicht auch einfach einmal zu lange auf das Leben gewartet …

Muss lachen beim Gedanken, bei denen, die zielgerichtet über den Bahnhofplatz hasten, könnte es vielleicht der Fall sein, dass sie nur so tun als ob … hahaha…
Irgendwie ist das vielleicht sogar so, in dem Augenblick, in dem sie sich beobachtet wissen … von mir? Hahah!

Ich weiss nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer noch irgendwohin kann, wenn er/sie keinem Blick begegnet. Er/sie muss dann doch einfach … hier ankommen …. an sich runterschauen …

Neinnein. Ich kann es mir schon vorstellen.-

Aber: wir könnten alle anders!

Wir Anderen! Wir Fremden!

Gewohnt an Kleingemeinschaften. Liebend nur das Nächste, das aus uns kommt …

Geworfen in ein Massenmeer unseresgleichen, Haut an Haut und doch Befremdung,  damit zu fuhrwerken auf öffentlichen Plätzen …

Ein jeder allein. Ein jeder so tuend als ob (Grenzen fliessend) Haha.

Was führen wir da am Arm spazieren? Welches Phantom?

Ich sah: Vorbei Hastende (die Ernst-Korrekten, die Nicht-ganz-Korrekten-Lässigen), bärtige Jungscliquen alle mit Handy am Ohr, Chinesen mit ihren Schalenkoffern, junge Araberinnen mit Kinderwägen und schönen grossen Turbanen auf dem Kopf, gackernd wie Hühner, ein Sänger mit Gitarre und Mik, ein paar Betrunkene tanzend, barfuss, ein Mann mit Glatze und in einem Jackett, ein Mann, reisend mit einem Kartonkoffer, einen Securitas-Wächter, eine Frau mit spitziger Nase und grauen Barthaaren (sass neben mir auf dem Busbänkli) „Rutschen Sie!“, sagte sie zu mir. „Rutschen Sie gefälligst rüber!“ Eine junge Frau, die vielleicht von der Uni kam, mit schönen Waden. Den Postkartenverkäufer (den ich schon vor zehn Jahren auf dem Bahnhofplatz getroffen hab). usw.

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