Der (Haushalts)Haken meines Vormieters (Absturz und Auferstehung)

derhaken

Zwei Tage, nachdem er abstürzte, hinterliess er ihn mir, zusammen mit

etwas Uringestein in der Toilette.

Und noch als ich die Wohnung zum erstenmal besah, hing ein schwerer

Rucksack mit Seil zum Auslüften dran.

Und auch jetzt: wie ein zufälliges Muttermal, eingemacht in meine

graublecherne langgezogene Balkonwand, schaut er mich an, oder

wie ein Cursor, der stehengeblieben ist, auf einmal.

Steht (hängt) er so simpel da für all das, was einer erreicht, was

einer verloren hat. Steht da für: farblose Verlassenheit! Steht da für alles,

was unverhofft, vor langer Zeit, vielleicht einmal einen Haken hatte

für diesen und jenen! Abgenutzter Zweck, der nicht erfüllt werden konnte,

ragt er aus der Erhebungslosigkeit und begrüsst täglich die frische

anonyme Jetzt-Luft wie mit einem Schnüffel.

Und für mich, den Nachmieter: Und du da! Du, du wirst nie den

Gipfel erreichen! Unerheblich! Mit was du mich behängst!

Und für den, der nach mir diese Wohnung bewohnt: Diese Requisite

gehörte einmal meiner Vorgängerin, einer Frau, die selbst eine Immobilie

war. Tagtäglich dämmerte sie bis weit in den Tag und brauchte als

Wühlmaus zwischen sich selbst und dem Raum niemals weitgereisten

Sauerstoff zu lüften. Übernommen hat die Frau das Inventar von ihrem

Vorgänger. Dieser Mann war ein leidenschaftlicher Alpinist, stand immer

vor dem ersten Vogel auf. Und geizte mit Putzmitteln soviel, wie mit

überflüssigen Worten. Aber er erklimmte alle Schweizer Berge, bevor er am

einfachsten von allen sein Gleichgewicht verlor —

Ein Mieter um den nächsten den verwaisten Haken mit

neuer Bedeutung füllt. usw.

(10.6.18)

 

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