„Es ist immer dasselbe.“ Dies hast du gesagt, in Bitterkeit, als du gegangen bist. „Es ist immer dasselbe.“ Ja, die äusseren Umstände von schwerer Myalgic E. entsprechen genau dieser Wahrnehmung, selbst eine normale Hausärztin lehnte meine Betreuung mit der Begründung ab: „Aber es ist immer dasselbe. Ich habe schon eine Betroffene mit dem Chronic-Fatigue-Syndrom, und es geht ihr immer gleich, nie besser.“
Und dann war da meine Wahrnehmung, die von Innen sein und anders aufgebaut sein musste, damit ich daran glauben konnte, dass es trotzdem möglich ist, dass ein Mensch mit mir lebt, obschon es keine Hoffnung auf eine Änderung der äusseren Umstände gibt oder nur kleine Abweichungen.
Die blinde Liebe hat mir diese Dreistigkeit und den Egoismus verliehen, nicht im Vorneherein daran zu zweifeln oder gar aus Rücksicht auf dich die Beziehung nicht einzugehen. Viele ME-Betroffene kommen zum Schluss, dass sie mit einem Partner ihr Leid nur unfreiwillig verdoppeln, und sie verzichten auf die Liebe. Dies war mir in dem Moment meines Lebens nicht möglich. M. Z. (R.I.P) warnte mich davor, mich für die Liebe zu verausgaben, erst diese intensive Zeit, die dann in die Brüche ging, katapultierte sie in die schwerste Form der ME, in der sie sich nicht mehr selber waschen konnte. Und sie hatte dann die Schnauze voll.
Es ist wie Roulette, aber Gewinnen ist praktisch unmöglich.
Für mich war es nicht immer dasselbe. Immer dann, wenn es möglich war, dass ich dir nahe kommen konnte, wirklich nahe, war es neu und anders. Mir wurde es wohler. Während du all die äusseren Bilder des Leidens nicht verkraftet hast und sie satt hattest, kämpfte ich wie eine Wilde um diese Momente, in denen ich dich in den Kokon meiner Wahrnehmung spannen konnte; diesen Kokon, der von den winzigen Fäden energetisierender Liebe durchsponnen war, von meiner Seite her. Dieses winzige Mikrokosmos, der sich zwischen den Augen oder in einer ruhenden Berührung paradiesisch entfaltet.
Wie dreist von mir zu glauben, es könnte eine Freiheit geben für dich mit mir, auch wenn mein Körper so krank ist, und es keine Hoffnung gibt, dass sich das jemals ändert. Ich glaubte mit meinem inneren Auge, wenn du die Tür aufstiessest und fröhlich (gespielt?) meinen Namen riefest, dann an mein Bett tratest, du könntest mich strahlen sehen. Durch die äusseren Umstände hindurch! Ich dachte, ich könnte hin und wieder in deiner Anwesenheit weinen, um dann, umso stärker wieder zu strahlen, kurz danach. Oder noch währenddessen. Ich glaubte, dreist wie ich war, an mein Licht von Innen. Und ich konnte mir kaum vorstellen, dass du dieses Licht nicht siehst. Und auch gar nicht mehr erkennen wolltest!
Du, der du sagtest, du würdest mit mir sein, auch wenn ich nur noch aus Kopf bestünde und solange ich dich brauchen würde, wolltest die Umstände ändern, in denen ich lebte! Während ich gezwungen war, diese Umstände zu übersehen, konntest du das nicht, denn du, als Mensch der Tat, wolltest mit Taten etwas bewirken … wolltest du auch mich ändern?
Wie kann es sein, dass du mich als undankbar erlebst, im Nachhinein, während ich mich als „glücklich“ und bloss „dich empfangend“ erlebte?
In welcher Form hätte mein Dank dich erreicht, wenn er dich durch die Gesten und den Äther der Liebeszeichen nicht erreichte?
Also hast du dich abgewandt. Und da wurde ich einen Moment lang sehr wütend. Weil ich oft zuerst wütend werde, bevor ich traurig werde. Weil ich auch keine Dulderin bin und kein Asket… weil ich es hasse, so selten begehrt zu sein! Wieviel Demut hat mir gefehlt?
Es hätte nichts genützt.
Ich erkenne, dass ich nicht weiss, wer ich für dich gewesen bin. Ausser, dass du es im Nachhinein so darstellst, als wäre ich ein Teufel. Ein Teufel, der nur Bitterkeit und Negativität bringen kann über das Herz eines Andern. Ich wollte verstehen, wie deine Empfindungen der Bitterkeit zustande kommen, ich wollte die Knackstellen erfahren, ich …. die mich nicht in Taten und Händen fortbewege, doch mit Reden und Denken, mit Hinschauen auf die Gefühle ….
Es war sinnlos. Du willst ein bitteres Andenken, ein Andenken in Ablehnung an mich. Dass wir komplex sind und Komplexität spannend sein kann, das hat dich nur noch genervt und schliesslich fandest du mich sogar fake, als ich versuchte über die Kompexität eines „Dankeschöns“ zu reden, wenn derjenige, der glaubt, er habe zuviel gegeben, dieses Dankeschön gar nicht will respektive nehmen kann und die Aussprache eines Dankeschöns, wenn sich der Partner schon abgewandt hat, nicht so einfach ist …
Jetzt spielt es keine Rolle mehr für dich, sagst du, wenn ich jetzt noch danke sage, dafür, dass du in dieser späten Lebensphase zwei Jahre mit mir gegangen bist. Wenn ich dies jetzt verbal und explizit noch sage, obschon ich dachte, meine Dankbarkeit sei in der Liebessprache enthalten, inexplizit. Aber das scheint ja nicht so gewesen zu sein. Weswegen ich für immer an meinem Spiegel zweifle. Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle?
Es gibt nur die Zumutung. Die Zumutung, die man ist für andere, die nicht in dieser Situation (ME) stecken, die Zumutung, die der Betroffene sich selbst anmassen muss. Die menschliche Zumutung. Die Zumutung, weiterzumachen oder aufzuhören … die Zumutung, die äusseren Umstände (wie sie so geduldet und ignoriert werden von der äusseren Welt) usw.
Aber wer will schon in der dauerhaften Zumutung leben oder jemanden begleiten, der diese „Zumutung“ verkörpert?
Ich bin dann froh, wenn ich mit diesem dämlichen Liebeskummerkasten endlich fertig bin!
(6.10.2020)