3004_Diary_’die Sorge um sich selbst als Praxis der Freiheit‘

Wenn mich nicht alles täuscht, entwickle ich mich ein wenig, und habe ich mich ein wenig entwickelt im Rahmen meiner Möglichkeiten. Aber diese Entwicklungen ändern nicht meine Lage in statu degradationis, es ist ein rein innerlicher u intrinsischer Prozess. Ich bin bereit, auf die Welt zu kommen und dieser Welt Paroli zu bieten. Ich bin bereit, Einblick zu gewähren, in diesen Werdegang einer Sackgasse extremer Selbstfindung und ihrem Leerlauf.

Mein Gefühl aber sagt mir, dass es im Jahre 2023 zu spät dafür ist, noch ein Mensch zu werden. Warum denn wird man Mensch? Für Gott und das Jenseits? Sicher nicht, um es in hiesigen Breitengraden zu etwas zu bringen!

Damit man es zu etwas bringt, verkaufen die Coaches der Seele, die Wellness-Eso-Fabriken die für den Erwerbstätigen zulässige Gesundheit.

Was aber könnte einem diese Welt  bieten, wäre man körperlich fit wie ein Löwe und finanziell ungebunden? Was müsste man mit sich anfangen?

Ich könnte und müsste ans Ende kommen mit meinem Selbst, was gleichviel ist, wie zuende kommen mit der künstlerischen Selbstoptimierung. Diese Selbstoptimierung, wie ich sie verstand, war nicht auf ein berufliches Ziel oder ein annehmliches Gesamtpaket beschränkt, und doch wollte ich ein verführerischer Mensch sein! (Wollte ich nicht gleich mein ganzes Ich auf einen Marktplatz werfen, der zudem noch Unverkäufliches bot?)

Würden die alten Griechen verstehen, was ich meine? Kaum. Die Frau war dort ja Sklavin und konnte sich demfalls nicht „um ihr Selbst sorgen“ .

Wenn ich so rausschaue, mit meiner beschränkten Perspektive, versteht sich, drängt sich mir der Verdacht auf, dass der Mensch nicht länger im Zentrum des Menschseins steht, vielleicht nie wirklich gestanden hat. Die Sorge um sich selbst  hatte offenbar zum Ziel, einen Menschen im Hinblick auf seine wirtschaftliche Effizienz zu optimieren. Jedes Klinikangebot, jeder Therapeut, das Ferienressort und die Partnerbörse operiert auf dieses Ziel hin: Die Institutionen geben vor, wie und wer von den Einrichtungen profitiert. Und das ist auch der, der sich optimal „von der Ideologie anrufen lässt.“

Was könnte man tun und was tun gescheite junge Leute heute, die sich schämen für den Egoismus und den verrannten Selbstoptimierungswahn ihrer Eltern? Sie legen ihr Selbst zur Seite und retten die Welt an einem Zipfelchen. Sie leben bescheiden, ökologisch, friedlich u in Freundschaft mit Anderen…. die Ethik um sich Selbst löst sich auf in eine zielgerichtete pragmatische Lebensweise, die der Umwelt nicht weiter schadet…. und somit das Schlimmste verhindert: die selbstverusachte Zerstörung.

(Das Schlimmste: ist es das Böse, das ja doch im einzelnen Menschen innen drin wohnt wie ein Vulkan? Ist es ein Unfall? Eine Verkettung von dummen Zufällen? Oder doch ein Feuer, das nur in kollektiver Zusammensetzung wirklich Verächtliches speien kann? Oder gibt es das  Böse nicht, nur das Schlimme?)

Manche gehen vielleicht weiter und versuchen sich der Doktrin zu entziehen, indem sie in Kleingruppen Selbstversorgung betreiben oder auswandern in ein „weniger begütertes“ Land, wo sich arbeiten noch lohnt. (Soviel zu meiner einfältigen Perspektive, bitte um Entschuldigung).

Ich, ja, ich, haha, müsste auch aus alternativloser Verzweiflung etwas „Gutes“ machen, wenn ich jetzt als dieser gesunde Löwe, bei meinem aktuellen Entwicklungsstand neu zur Welt käme!!!!  Zur Welt, in der 8 Mia einzelne Menschen um einen Platz kämpfen, Nahrung und Raum, aber auch um Teilnahme am Dasein und Anerkennung. Wer bekommt sie? Und wer stellt sie wem aus?

Die „Sorge um sich als Praxis der Freiheit“ kann ja gar nicht gepflegt werden! Der Kampf ums Überleben verhindert es, zumindest dort, wo es ums Überleben geht. Und worum geht es anderswo und also hier? Um die Aufrechthaltung eines Standards?

Das schlechte Gewissen, der Erde Schaden zugefügt zu haben, absorbiert uns… das ist der Erde vollständig egal, würde Zizek sagen. Aber unterschätzt er nicht doch, dass wir wenigstens physisch Teil desselben Organismus sind…?

Eventuell ist es auch eine Art Rückkoppelungseffekt, der uns durch Monokultur, Industriekultur und v.a. Digitalismus hirnorganisch zusetzt? Ich meine, ein Grund dafür, dass wir es nicht mehr verstehen, uns um uns Selbst zu sorgen! (Nicht als Konsumenten! Sondern, um die Zeit zu haben, ein moralisches Gewissen auszubilden!) Hätten wir den Raum dafür und wäre es sogar eine Art Pflicht, ja, dann könnten wir vielleicht auch die Konsequenzen unserer Taten und Emotionen besser abschätzen. Den Schaden und die Fehler in der Überhast des ständigen Agierens minimieren ….

Der Mensch von 2020 ist nicht der Mensch von 1990.

Nur die Liebe als Katastrophe ist  sich gleich:

Intim, persönlich und radikal anders kann sie ein überflüssiges Selbst in seinem produktiven Abgrund bestätigen. Die Liebe überwältigt und erschüttert. Sie würde im Prinzip entwaffnen. Ihr statu degradationis ist einer, der befreit!  Auch vor dieser Gefahr wird heute gewarnt; heute, da nichts mehr einen Menschen  umhauen darf.

Man könnte meinen, das Unterbewusste, das Freud u Co. ans Tageslicht fischten, sei mit Beton zugeschüttet ….

(PS: Ich binde hier nur kleine Blumensträusschen und lasse sie durch meinen subjektiven Verarbeitungstumbler)

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