Ich frage, was am Titel nicht gepasst hat, was ingesamt nicht passt. Du sagst, es ist zu pathetisch, alles. Ja, es ist nicht mehr, wie am Anfang (Kapt 1, 2,3) frech, ironisch, leicht und sarkastisch. Die Stimme der Protagonistin kann nicht mehr so klingen, verstehst du? Ich könnte Bäche von Tränen ergiessen über diese Wendung, aber diese Leichtigkeit gibt es nicht mehr in dieser Stimme, dieses Hüpfen, Frechsein, Schnoddrigsein. Diese Protagonistin, die Junge, war so, von Herzen, war sie so; ohne Verantwortung, frei und skrupellos, aber die Alte, die kann keine elegante Leichtigkeit mehr zurück simulieren, das liegt daran, dass die Worte der Alten schwer wiegen, weil sie in ihr Fleisch hineingewachsen sind, diese Worte, und weil irgendwo die abgewürgte Leidenschaft für das längst nicht mehr erreichbare Leben wieder zum Vorschein kommt. Ich könnte Bäche von Tränen ergiessen über diese ernste, auswegslose Sache, dass sie mir im Ernst verschmohrt, wo ich mir geschworen habe, niemals ernst oder sentimental zu werden in meinem Ton. Dann besser aggressiv und beissend bleiben. Aber ich kann den guten Geschmack nicht mehr erfüllen, der Witz, Abkömmling der Vernunft, ist mir abhanden gekommen und ich bin jetzt eher wieder bei den „Sturm und Drängern“ angekommen, bei einem Lenz und Isabella die Morra. Es ist, weil ich das, zumindest den zweiten Teil, nicht vom Leben herschreibe, sondern vom Tod. Seine Präsenz führte zu dieser Transformation, denn der Blick auf ein Leben, das einem entgleitet, das Erinnerung ist, das zwei Augen im Kopf hat (den Tod im einen, im andern das Leben), drei Augen sogar (den Tod und das Leben im Leben!), dieser Blick ist in der Regel ein schwerer. Dabei sein, etwas zu verlieren, zu spüren, selbst der für immer Ausgeschlossene zu werden, zu erkennen, dass niemand das verstehen kann, der sentimentale Glanz in den Augen alter verkrusteter Menschen, die Schwere und das Dahingleiten ihrer Worte. Wenn du diese Dimension des Todes nicht kennst, und die Vulnerabilität des Körpers nicht erfahren hast, ja, dann kannst du dieses Pathos nur als exotisch empfinden oder vielleicht altmodisch (weil Schreiben vom Bewusstein eines Todes aus, der Tod selbst ist ja etwa Antiquiertes in der heutigen Zeit). Ich kann nicht, für dich, schreiben, wie damals, schreiben, wie am Anfang des Daseins, als ich glaubte, mein Wort sei das einzige auf der Welt, meine Stimme ein kleine Walze, die sich durch alles andere hindurch bewegt, um dort, an der Spitze zuerst gehört zu werden. Du willst kein Drama, kein Schmerz, weil das nich verkäuflich ist. Weil sowas abstösst. Und weil im Vergnügen an einer vergnügten Sprache, der Schmerz in die Ferne geholt und durch die Distanz in seinen neuen Ausdruck transformiert wird. Bleibt diese Arbeit ein Anachronismus.