Staubschüssel_Eclat de Prose

Sie sagten: es ist No man’s land. Und doch zog es sie magnetisch an.
Das Buffalogras wuchs bis zum Horizont. Hochgewachsenes Haar, das träumerisch mit dem Wind spielte. Die Abendsonne eine Riesin, kein Baum, der die Sterne zäunt.
No man’s land. Es zog sie dorthin. Zumindest jene unter ihnen, die sich nicht treiben liessen. Diesen schwebte es vor, ihren Ort, ihr Stück Land frei zu wählen, es zu bearbeiten mit ihren eigenen Händen. Diese einen verstanden die Arbeit radikal, von Grund auf: ein nie endender Prozess durch ihre volle Teilhabe. So gesehen gab es unter diese Leuten Schöpfer.

Da sie nichts hatten, als sie begannen, waren ihre Villen Hütten, aber in ihrem euphorischen Eifer nannten sie diese stolz: mein. Sie machten den Boden vom Gras und Büffeln frei, trieben die Indiander zusammen und pflanzten ihren Weizen. Zehn Jahre lang brachte ihnen der Weizen Buschel im Überfluss. Regen liess sich nieder auf den Wangen der Kinder wie ein wunderbares Fluid. Zwar trugen ihre Kinder noch Kornsäcke als Kleider. Aber sie waren glücklich, fühlten sich reich.
Dann kam die Trockenheit. Und mit ihr rollten die ersten riesigen Staubwolken heran. Die Familien verkrochen sich in ihren Hütten unter dem Herd und hielten sich an den Händen. Sie beteten. Es war stockfinster, während die Staubwolke über ihnen hinwegdonnerte, ihre Parzelle auffüllte, ihre Augen, Türen und Lungenritzen, mit nichts als Staub.
Hoch war der letzte Weizen, doch Abnehmer fanden sich keine. Also karrten sie ihn zu grossen Haufen zusammen, am Rand der einzigen Strasse von No man’s land.

Kontinuierlich wuchs die Dürre. Der Boden gab nun so wenig Buschel her wie Finger an der Hand. Und doch machten die meisten weiter. Weiter, wie bisher. Als würde die mühselige Arbeit alle Mittel heiligen. Vielleicht war der Dust Bowl eine Strafe Gottes, weil sie zu sehr mit dem Weizen pressiert hatten. Dachten einige bei sich. Vielleicht waren sie Sünder, mausarm zwar, weil sie nichts als eine  Hütte und viele Kinder besassen inmitten von Weizen. Wer weiss, vielleicht hatten sie zu sehr profitiert!!!!

Zehn Jahre ergoss sich kein Regen auf das Haupt dieser eigensinnigen Harrenden. Deshalb brachen die meisten irgendwann auf. Sie liessen alles hinter sich liegen, ihre ganze Investition. Vertrauten einer wieder ungewissen Zukunf ihr Rad und die Himmelsrichtung.
Die andern aber, wie gesagt, machten weiter. Räumten den Staub von den toten Feldern, wieder und wieder, versuchten zu säen und zu ernten, wo es nichts gab, das wuchs: Blinder Aktionismus, der nichts veränderte, eifriges sich Verrennen, durch eine Hoffnung und Zukunftsgläubigkeit, die nicht denken will?

Dann brauchten sie Hilfe. Von der Regierung wurden Programme zur Verbesserung des Bodens geschickt. Sie hatten bei der Bewirtschaftung vielleicht Fehler gemacht, hiess es. Diese hatten die Staubschüssel zwar nicht verursacht, aber begünstigt.
Sie hatten Fehler gemacht! Wir müssen anders vorgehen. Aber wie? Es ist no man’s land.
Mithilfe eines besseren Wissens, vorsichtiger, fingen sie wieder an. Dazu kehrte der Regen, der so lange launisch ausblieb, sporadisch zurück. In die kühle Tiefe des Bodens grub sich das Präriegras. Geistesgegenwärtig und träumerisch rieselte der Wind durchs grüne Haar der Great Plains. Die Sonne, ein Riese am Himmel, zerquillte Wolken in farbigen Hektaren.

Sie sagten: es geht aufwärts. Sie sagten (wieder): dies ist mein. Sie kauften Traktoren, bauten ihre Hütten um zu Stein. Telefonmasten verliefen sich am Horizont, der goldig schimmerte von all dem Weizen. Weizen, gespritzt und moduliert, Weizen, der wie rast, statt wächst, Weizen aufgekauft, spekuliert. In mein Frühstücksteller als Anonyma Crunchy fliesst.

Wem gehört dieser Weizen?

Hergang von Essen, Vergessen, Leidenschaft und persönlichem Schicksal.

 

 

 

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