Portrait_Stürmchen

Stürmchen, das war einmal eine Figur in einem Kopf, eine Figur auf Papier. Nicht in einem Haus war Stürmchen gross geworden, nur in einer Idee. Eines Tages aber wurde es Stürmchen zu eng, nur im Kopf, nur auf Papier; dies wollte sie nicht mehr sein. Also kletterte sie aus der Idee heraus als Körper und schaute sich vorsichtig um.

In einem kleinen Kasten, direkt vor sich, entdeckte sie eine digitale Welt. Diese Welt war nicht wirklich die richtige Welt. Es gab kein Drinnen und kein Draussen, stahlblau, mit Bäumen, deren Blätter voller Lichtreflexe zappelten, keine Strassen, auf denen Menschen und Autos vorbeizogen. Und doch gab es dort unzählige Stimmen, die etwas von sich erzählten. Stürmchen begab sich unter diese Stimmen, nicht mehr als eine Figur in einem Kopf, eine Figur auf Papier. Als Einer lauschte ihrer Stimme. Und  sie aufnahm in seiner Facebook-Chronik als seine Idee, die er so verkündete: „In einer Beziehung mit Comella-Drink seit März 2018“. Dieser Eine wollte Stürmchen real treffen. Und Stürmchen, sein Schokoladedrink, hatte diesen Menschen real getroffen.

Es war wie Drinnen sein, nun! In einem Haus wohnte Stürmchen, in dem stahlblau der Himmel leuchtete, real, die Blätter der Bäume voller Lichtreflexe zappelten, wirklich und wahrhaftig! Stürmchen erkannte das Draussen mit seinen Menschen und Strassen, seinem Myriadenhaften Treiben.

Dann aber, wie ein Leben so gehen kann, musste Stürmchen aus diesem Haus wieder ausziehen. Verwirrt sass sie wieder vor dem kleinen Kasten, in dem es so viele Stimmen gab. Die meisten Stimmen hatten sich in der Zwischenzeit verloren, sie waren nicht mehr da. Da schwieg auch Stürmchen und schloss den Deckel des kleinen Kastens, in dem er seine Verbindung mit Mirella offiziell verkündete.

Stürmchen war nun aus einem Kopf und einem Kasten geklettert, sie war vom Papier aufgekrabbelt, hatte sich kurz wie ein Mensch aus Fleisch und Blut gefühlt, auferstanden gelebt in seiner witzigen, süssen Idee.

Nun weinte Stürmchen. Weinte, als wäre ihr ganzer Inhalt, ihr ganzes Sein wie ein abgelaufener Drink für alle Zeiten verdorben.

Wäre sie doch nie aus dem Kopf geklettert, in dem sie zuerst gebor(g)en war, nicht als Mensch, nicht als Körper. Nur virtuell, ernsthaft als ihre eigene Idee.

 

 

 

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