Portrait_Dolly

Das Leben schrieb ein paar Geschichten über Dolly, die sie nicht selbst geschrieben hatte.
Als Dolly gegen Fünfzig ging, fand sie: dies ist nicht mehr mein Leben, das ich für mich geschrieben habe,
das ich lebe, wie seltsam.

Aber was gab es denn überhaupt für eine Geschichte, die Dolly erlebt hatte, während all der Jahre zwischen
Dreissig und Vierzig, in denen das Leben Dollys die Geschichte einer seltsamen Abstinenz aufdrückte??!

Immer offensichtlicher wurde es, dass im Leben von Dolly nichts passierte. Wer weiss, vielleicht waren darum die Geschichten, die Dollsy zu schreiben versuchte, über sich, hauptsächlich, so grossspurig, ja, fast grosskotzig.

Mit Dreiundvierzig fand Dolly einen Mann, der am Leben der Frau Anteil nahm,
fast als würde er von ihr trinken. Umgekehrt aber liess er diese Anteilnahme vielleicht nicht so zu, wer weiss.
Es ergab sie aus dieser Verbindung eine Geschichte, die im Nachhinein viel Vorsicht und Umsicht verlangt.

Als der Mann Dolly verliess, sagte er unter anderem verärgert ungeduldig: „Du bist mir zu stark.“
Worauf Dolly lange darüber nachgrübelte, was er damit gemeint haben könnte.

„Hat er denn nicht einfach sagen wollen, dass ich für ihn zu dick bin?“, fragte sie sich, jedesmal, wenn sie sich im Spiegel sah.

Es gab verschiedene Deutungen von Stärke: Stärke konnte hohl oder dick, komplex und herausfordernd, aber auch

erschütternd und erdrückend sein ….

Was war gemeint, wenn ein Mann eine Frau verliess mit den Worten, sie sei zu stark für ihn?
Gab es eine zu starke Frau für einen Mann?

Einen zu starken Mann für eine Frau schien es nicht zu geben, überlegte sich Dolly zerknittert.

Es fühlte sich an wie Zerbrechen.

 

 

 

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