ME_Diary_20abweichende Metaboliten und hierzulande nach wie vor Psychopathologisierung

Doktor Naviaux und sein Team haben vor wenigen Jahren bei einer Studie mit 84 ME-Betroffenen rund 20 metabolische Abweichungen gefunden. Wie die gestörten Stoffwechselvorgänge zustande kommen ist nach wie vor unklar. Die Daten zeigten aber, dass, trotz der unterschiedlichen Trigger u Faktoren, die zu ME führen, die zelluläre metabolische Antwort bei allen Betroffenen gleich ausfällt: ‚Similar to dauer, CFS appears to represent a hypometabolic survival state that is triggered by environmental stress. The metabolic features of CFS and dauer correspond to the same pathways that characterize the acute CDR
and metabolic syndrome (50) but are regulated in the opposite direction.‘

Das war die Ausgangslage 2017. Seither wurde der Fokus der Forschung vermehrt auf die adrenergen und muskarinen Autoantikörper gelegt. Ob da was dran ist könnte das Medikament B007, das aktuell in einer Studie an Long-Covid-Betroffenen getestet wird, Auskunft geben. (Offenbar werden die Long-Covider jedoch jetzt teilweise auch psychopathologisiert, genau wie wir seit 80 Jahren!)

Wie die meisten langjährig Betroffenen, gehe ich nur noch selten zum Spezialist, da dies nur zu Re-Traumatisierung führt. Ich weiss von etlichen ME-Betroffenen, die überhaupt nicht mehr zum Arzt gehen, da ihnen bereits das Betreten der Arztpraxis posttraumatische Symptome verursacht.

Für meinen letzten Arzttermin im Neurozentrum des Inselspitals habe ich mich ein halbes Jahr vorbereitet. Es war mir ein Anliegen, meinen seit mehreren Jahren bestehenden latenten Bluthochdruck (ca.100/150) zu begutachten. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Form von POTS, namentlich ein hyperadreneges, was soviel bedeutet, wie: dass der Blutdruck in aufgerichterer Position statt absackt, (Ortosthase) in die Höhe schnellt. Es gibt verschiedene POTS-Varianten. Fast alle sind sie autoimmun bedingt und typische Begleiterscheinungen der Myalgischen Encephalomyelitis. Nun ist aber der normale Betablocker nicht unbedingt die beste Lösung, um eine hyperadrenerge Überaktivität zu reduzieren. Ein Betablocker, der bloss lokal am Herzen wirkt, ist auf jeden Fall nicht das, was ich benötige, andere, aufs Gehirn einwirkende Substanzen, die von internationalen Dysautonomie-Zentren (angelsächsisch) erwähnt wurden, wollte ich also mit dem Windhund von Arzt im Neurzentrum besprechen.

Denkste! Das erste, was er sagte, als er meine Unterlagen sah, war: „Leute, die Unterlagen mit nehmen, sind meistens nicht krank.“

Dann kam, nachdem ich das Problem sorgfältig formuliert hatte, eine Antwort, die ich halbwegs tolerabel fand: „Bei Menschen wie Ihnen wird man molekularbiologisch nie etwas finden.“ Na, gut. Ist zwar reichlich faul,

doch ich liess dies so gelten, und wollte eigentlich aufbrechen (die Wartezeit für einen Termin im NZ hat übrigens 6 Monate gedauert.) Doch dann fing der deutsche Windhund auf einmal an, mich fertig zu machen. Mein Blutdruck war offenbar normal an diesem Tag, das Blutdruck EKG-Tagebuch mit den erhöhten Werten über 2Tage interessierte ihn nicht, stattdessen hielt er mir vor, ich sei ein Hypochonder.

Wieder wollte ich gehen (denn ich bin nicht mehr so streibar, wie auch schon). Da machte ich den Fehler, den folgenden Satz zu sagen: „Habe ich nicht ein Recht, mich um meinen Blutdruck zu kümmern und, wenn die Werte nicht wirklich stimmen, eine Medikation mit einem Arzt zu besprechen? Warum müssen Sie das bereits wieder psychopathologisieren?“

Da sagte er, mit einem Blick auf mein Dossier (das Insel-Dossier), was ihn beunruhige sei, dass ich den ganzen Tag nichts machte … ich bräuchte dringend etwas, das mir mehr Lebensqualität gebe etc.

AUWEIA! JA!!!!! DAS IST SEEHR SENSIBEL.

Ich sagte, doch natürlich, ich sei nach wie vor am Recherchieren, wie ich meine Folgesymptome der ME abmildern könnte (22h im Bett etc)…. mein Ziel sei eine Verbesserung des physischen Zustands… doch allein könne ich dies nicht …. die Lebensqualität sei so tief, dass ich nur über die Verbesserung des physischen Zustands, die Lebensqualität insgesamt verbessern könne, wodurch natürlich auch mein psychischer Zustand besser würde. Aber weil ich da eben keine Hilfe bekommen würde und es mitunter auch noch keine Therapie gegen ME gebe, wünschte ich mir eine Sterbebegleitung ….

Das war nun der Hauptfehler, den ich in meiner Ehrlichkeit, gemacht hatte:

Der Arzt war nun nicht mehr zu bremsen: ich müsse dringend in die neurpsychiatrische Abteilung wegen Depressionen. Er rate zu Elektrokrampftherapie (Elektroschocks!), bei so langjähriger psychischer Erkrankung ….usw.

Ich sagte nichts mehr. Auch nicht, dass ein Elektroschock bei mir durchaus Herzversagen auslösen könne, denn mein Körper stecke in einer Stasis, einem Winterschlaf und könne nicht auf Stress reagieren. Ich aber nicht an Herzversagen, genausowenig wie an Stroke (durchaus eine Folge der liegenden Lebensweise und des Hypometabolismus der ME) sterben wolle, sondern kontrolliert usw. Blaba.

Dies war mein letzter ärztlicher Termin und liegt etwa sechs Wochen zurück. Ich habe mich, wie gesagt, ruhig und reflektiert verhalten, während des Gesprächs, und war froh, als es vorbei war.

Nun zum Arzt, als Mann und umgekehrt:
Ingesamt habe ich in 26 Jahren so viele Übergriffe und missbräuchliches, sexistisches Verhalten von Ärzten erlebt, dass ich eigentlich das sein könnte, was man bei Männern Misogynist nennt und wofür es im Gegenteil offenbar keinen Begriff gibt, bezeichnenderweise ….

Ich kann aber,  trotz allem, dieses mir opposite Geschlecht als solches nicht hassen, denn, wie könnte ich! Wo ich darunter Männer fand, die mich liebten und mir zu sinnlichen Rauscherlebnissen verhalfen ….!!!!!

Natürlich, ernst genommen hat mich noch nie ein Mann. Aber was soll’s?! Ist doch wurscht ….. Schön wäre es, wenn ich sie ernst nehmen könnte …. anhimmeln!!!!

Auch bin ich ein Bewunderer einiger grosser Schriftsteller männlichen Geschlechts. Nicht wenige darunter waren Misanthropen respektive Misogynisten …. ich meine, ehrlich: was ist denn der Unterschied? (Ich hätte wenig gegen einen Misogynist, wenn er nebenbei ein genialer Arzt wäre ….)

Trotzdem sind die Diskriminierungen, die Frauen und insbesondere Frauen mit autoimmunen Erkrankungen wie ME durch Ärzte erleben, weit verbreitet, und ich weiss von vielen ME-Betroffenen-Frauen, die nur noch in Begleitung eines Mannes zu einem Arzt gehen. Oder eben überhaupt nicht mehr.

Eine Arte-Doku hat neulich gezeigt, dass die medizinische Benachteiligung von Frauen immer noch System hat. So rückt die Ambulanz bei Herzbeschwerden/Herzinfarktverdacht von Frauen in der Regel zehn Minuten später aus,  als wenn der Notruf von Männern kommt. Bekannt ist auch, dass u.a. Schmerzmedikamente u Medikamente insgesamt an Männern getestet werden und nicht an Frauen ….

Der Sexismus lebt auch noch und trifft junge wie alte Frauen. Bei den jungen werden Beschwerden noch heute auf das Fehlen von Kinderzeugung zurückgeführt respektive die meisten Frauen von heute wie vor zwanzig Jahren kennen den Ratschlag: „Machen Sie doch ein Kind, dann vergehen Ihnen die Beschwerden!“ Älteren Frauen wird hingegen eine Schilddrüsentherapie verweigert mit der Begründung: „Wenn kein Kinderwunsch besteht, müssen diese Werte nicht optimal sein.“ (Ich bin nicht die einzige, die das erlebte!)

Ich weiss nicht, ob es rentabler ist, Männer zu behandeln. Vielleicht auch nur dann, wenn diese Männer ein finanzielles und v.a. soziales Kapital aufweisen. So hat jetzt erstmals ein Mann (mit einem solchen Kapital) gegen das Inselspital Klage erhoben, weil man ihm die ME/CFS-Diagnose nicht korrekt ausstellen will und er so natürlich auch keine IV kriegt … (was keiner bekommt, im Übrigen). Ich weiss nicht, was aus dem Verfahren wurde ….

Anyway. Ich bin keine emanzipierte Frau und keine Feministin. Für mich sind das beides „männliche“ Begriffe.

Trotzdem habe ich eingesehen, nach so vielen Jahren, dass es keine Möglichkeit gibt, einen Schulmediziner dazu zu bringen, mit mir zusammenzuarbeiten. Allein die Tatsache, dass ich mir über die Jahre ein grosses Wissen über meine Erkrankung erarbeitet, ist für den Schulmediziner, wie auch für eine Schulmedizinerin ein Affront, eine Beleidigung und also folgt von seiten des Mächtigeren her (Arzt) eine Diffamierung (siehe Windhund) usw. ME/CFS wird eben nach wie vor nicht an der Uni gelehrt!

Das andere Problem ist, dass einen die Alternativmediziner und auch Hausärzte aus der Behandlung kippen, wenn man nicht versuchen will, die Erkankung mit dubiosen alternativen Methoden zu verbessern. Es kommt dann zu einer Drohung: „Gehen Sie jetzt zu dem und dem Naturarzt, machen Sie jetzt das und das …oder ich behandle Sie nicht länger“, dies, obschon ja der Status Quo von ME: unheilbar heisst. Wie billig ist das denn: der HA weiss nicht weiter mit dem Patienten, ist aber auch nicht bereit, sich in die Krankheit des Patienten einzulesen und mit ihm die von den wenigen internationalen ME-Spezialisten erwähnten Medikamente off-labeld auszutesten!!! Stattdessen droht er dem Patienten, wenn er nicht zu seiner Team internen Heilprakterin oder Psychosomatikerin geht usw., begleite er einen nicht mehr ….

Aktuell bin ich genau in dieser Lage. Aber nicht zum ersten Mal. Ich kann nur sagen, dass ich überhaupt nicht auf Erpressung stehe. Andrerseits ist ein Arzt für mich auch keine Begleitperson mehr, wenn er mich nur unter bestimmten Bedingungen behandelt.

Aber: dies ist ja ein zutiefst menschliches Motto: ich dir … wenn du mir ….

Ich habe vor ein paar Jahren mal gesagt, dass es mir recht wäre: der HA würde durch einen soliden Roboter ersetzt.

Ich bin nun wieder auf der Suche nach einem solchen Roboter: dynamisch, sachneutral, unmenschlich. Aber qualifiziert!

Ein Roboter begleitet vielleicht auch Menschen, bei denen es keine Verbesserung gibt. Sie siechen über Jahre dahin, doch der Roboter begleitet sie, indem er immer mal wieder die nötigen Basis-Checks macht. Wenn er mehr weiss, macht er mehr; umso besser.
Ein Mensch sollte dieser Medizinalroboter eher nicht sein. Denn dieser bricht leider fast immer den hypokratischen Eid!

https://www.omf.ngo/wp-content/uploads/2016/08/Naviaux-PNAS-CFS-Metabolomics-2016.pdf

 

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