Glee_ein Porträt (nach einer Doku)

Wo aufgewachsen? Unter Hühnern, verschiedenen Vätern, einer Horde Kindern, spielend in Hitze und Staub.
Das Älteste. Und dann?

17 Jahre hast du nun nichts mehr gesehen, von dort, deinen Anfängen, in deiner Zelle.
Glee, was passiert ist, ist draussen passiert. Dort, wo es dich nicht mehr gibt. Nur die Zeit, die Zeit vergeht.

Damals aber war dieser Moment, von dem du weinend sagtest: er wird nie vorbeigehen.
Dabei ging alles so rasend schnell: das Motel war winzig, das Geld verspielt. Er schlug abwechselnd dich, dann das Kind. Später sagten sie, er habe es regelrecht entzwei gerissen zwischen Rücken und Darm, während du nichts mehr unternommen hättest. Nur zugeschaut. Zugeschaut.

Warum bloss hat sie nur zugeschaut, fing das Zetteln und Fragen dann an: kann es eine Mutter geben, die ihren brutalen Mann ihrem Kind vorzieht? Eine Mutter, die nicht einschreitet, um ihr Kind zu retten?
Nein, eine solche Mutter kann es nicht geben.

Dass du wegen Totschlags ins Gefängnis wanderst, wenn du seine Tat jetzt nicht öffentlich verurteilst. Haben sie dir dann gesagt, wieder und wieder, monatelang. Willst du für den Rest deines Lebens sitzen, Glee, wo es mildernde Umstände geben könnte für dich, wenn du nur endlich zur Vernunft kommst?

Dann kam es zu einer kurzen Begegnung zwischen dir und ihm auf der Anklagebank, und du hast ihm zugerufen: ich liebe dich! Ich habe hier angst! Sag mir, was soll ich bloss tun?

Kurz bevor das Schlussplädoyer anstand, fanden sie deine Briefe an ihn. Datiert bis zum letzten Moment. Halb beklemmt, halb belustigt trugen sie die pikanten Zeilen vor, die sprachen von der Lust für einen,
der dich über den Tisch wirft, und dann mit seinem Buddy brutal rammt, auf geblümtem Papier festgehalten, wie zu einer Hochzeit.

De Sades Fifty Shades of Black. Und ein Richter, ausgebildet an der Hochschule im Recht.

Der Verteidiger: Sie vermisst seine Schläge, sagt sie. Sie könnte mildernde Umstände bekommen, wenn sie dies wollte:
Ein Opfer von Gewalt. Und unter der Brust das dreimonate alte neue Kind von ihm. Der Moment, in dem das andere, von Krampfanfällen geschüttelt, starb, allein, hat sie gesagt, wird nie vergehen. Und das neue Kind soll seinen Namen haben, sagt sie.

Immer vehementer haben sie dich bearbeitet. Dass du eines Tages dein Handeln bereust für den Rest deines Lebens, wenn du jetzt nicht das Richtige aussagst.

Hast du anfangs noch deinen Kopf in den Armen begraben und fassungslos geweint, hast du nun nur noch mit mit halbgeschlossenen Augen reglos dagesessen, wenn sie von ihm redeten, wie von einem Feind.

Ein Teil von dir war vielleicht an diesem Gerichtsverfahren dabei, Glee, aber alles andere, das für ihn, war noch in dir.

Als sie dich verurteilten, hingen deine Augen tief. Vielleicht von den vielen Medikamenten
oder dem Knoten deines Kummers, schliefest du halbs.

Weil sie nicht wussten, wie unaussprechliches Schweigen geht, haben sie nochmals über die Szenen deiner Liebesbriefe gelacht.

Glee, was ist passiert? Und was passiert noch?
Dort, wo das Leid still steht, keine Zeit vergeht.

 

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