die gute Psychologin

 

Als ich mal Psychologin wurde, sagte ich zu meinem Klient: musst fest die Zähne zusammenbeissen, so, als hättest du keine.

Ich wurde aber nicht Psychologin, sondern zuerst Köpfe-Malerin, dann Lehrerin und Schätzchen von meinen Köpfen, dann Läuferin und Athletin. Dann selbst Psychiatriefall. Und zuletzt Clochard.

An der Kasse im Supermarkt trat ich einen galanten Schritt zurück und liess meine Klienten vortreten, ich sagte: Bitteschön! Mit sonorer Stimme, manchmal zuvorkommend,
manchmal lächelnd, manchmal sachneutral. Kompetent!
Immerbereit, dass sie mir ihr Herz ausschütteten auf eine meiner Gesten hin, in jedem Moment!
Dies geschah nie, auch nicht ein einzigesmal, vielleicht, weil ich doch nicht ganz wie eine Psychologin aussah, sondern einer glich, die ihre Säcke mit Essen füllt, am Ende des Rollbands.

Jemand sagte mir mal, ich wäre eine gute Psychologin geworden. Aber da war ich schon Clochard, obdachlos also, und meistens innerlich und äusserlich ungebadet.

Sympathie für den Menschen war bei mir gerade mal so ausgeprägt gewesen, dass ich immer offenen Blicks durch die Stadt ging,immerhin. In der Mitte stehen blieb, und einige gerne rüstig, freundlich, gefühllos, mit viel Leidenschaft und Engagement beriet. Worin?

(3.6.2020)

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