Diary_3004_Ausweitung der Kampfzone; 2

In seinem ersten Gedichtband (a la recherche du bonheur) heisst es in einem Gedicht von Houellbecq lapidar:

„Warum können wir bloss nie, nie geliebt werden?“

Ja, ich glaube, das ist das ganze Gedicht.

Aber mehr muss ja auch nicht gesagt werden. Denn das ist ja in etwa das ganze Problem, dass „Liebe“ in

der Natur nicht vorkommt. Und wir von Natur aus nicht unbedingt oder gar niemanden lieben (ausser wohl die Mutter,

die wir zumindest lieben, bis wir in die Pubertät kommen! Und von der wir ((der Mutter)) in der Regel irgendwie geliebt werden).

ABER: weil wir nicht geliebt werden und zurücklieben, und es auch keinen Gott mehr gibt, der uns dafür liebt oder auszeichnet,

wenn wir unseren Nächsten mit einem Mindestmass an Warmherzigkeit behandeln, müssten wir schauen, wie wir das Problem lösen:

Sicher nicht indem wir das Problem verdrängen und so tun, als ob.

In einer Gesellschaft an Einsamkeit zu krepieren, die vorgibt tolerant, loyal, gemeinschaftlich oder sogar liebend zu sein,

führt zu einer seltsamen Kluft. Zu Aggression.

Eine polare Mischung aus Abneigung und Anziehung, Antipathie und Sympathie: kurz: Chaos, mögen wir nicht, weswegen wir wahrscheinlich als Gesellschaft fast nur noch aus Regeln bestehen. Um alle menschlichen Regungen zu kontrollieren.

Dann ist da das  Problem, dass die, die eine der Regel; nämlich Anstand und Respekt, vorleben müssten

dies nicht tun. Also sie versagen an blosser Pflicht!!!!

Ehrlich gesagt, weiss ich keine Lösung.

Nur in der Kleinfamilie Wärme zu zeigen, finde ich unbefriedigend. Ein Ausweichen. Ein Abwürgen der Energie.

Auch eine Form der Ausgrenzung. Warum redet davon niemand?

Aber ja, offenbar können wir der Natur nicht mehr vertrauen, so wie oder weshalb wir auch uns nicht

mehr vertrauen können, weswegen wir all diese Regeln des Anstands und der politischen Korrektheit

eingerichtet haben. Ist es, weil wir diese Natur dermassen ummoduliert haben und weiter

ummodulieren ohne ein Ende in Sicht?

Aber, so wie wir sehen, schafft  eine so „ausgeklügelte Kultur“ kein Klima des Vertrauens. Der öffentliche

Raum bleibt kalt und unwirtlich. Und das habe ich nie kapiert: dass Anzeichen von menschlicher Wärme

nicht öffentlich sichtbar sind. Dass man sie suchen muss, in besonderen Institutionen oder Vereinen, im

Beruf oder heute auf der Partnerbörse.

Schön, wirklich schön ist es, wenn man einfach so mal einen herzlichen Menschen öffentlich antrifft.

Ein Mensch, der, wer weiss wieso, noch ausreichend Herzlichkeit hat, dass es für irgendwo, irgendwen

ein bisschen reicht. Er muss einem damit nämlich nicht zu nahe kommen!!! Im Gegenteil: mein ignoranter Nachbar, der durch mich hindurch blickt, obschon wir alle unsere intimen Geräusche voneinander hören; der ist mir zu nah! Seine Weigerung eines abgesprochenen Umgangs!!

(Hat er meinen Stuhl vor dem Haus gestohlen?)

Vor einigen Jahren gab es noch die Anbieter von „Free Huges“.

Ich hätte nicht das Vertrauen gehabt, mich in eine solche Nähe zu begeben. Auch war ich damals schon

so, dass ich zuviel auf die „äussere Hülle“ gab und mich von Aussehen angezogen fühlte, von Charme.

Dieser Charme müsste für mich aus dem Menschen hervorleuchten. Dann wollte ich stehen bleiben!

Aber das Angebot Free Huge ist ein starkes Zeichen des Umgangs. Viel schöner als alle Tinderbörsen mit ihren tausend Regeln.

Wir können nicht geliebt werden. Wenn wir das nicht vergessen, dann können wir vielleicht

anständig sein. Keine Ahnung.

Wirklich schade, gibt es keine Lösung.

—-

Als ich dann – reichlich spät – spürte, dass ich nicht geliebt werden kann,

wollte ich unbedingt als Frau begehrt werden.

Ein totaler Kampf! Eine ständige Ambivalenz!

Ist es da ein Wunder, dass ich alle latent frauenfeindlichen Dichter als Dichter geliebt und gehasst habe,

so auch Houellbecq, weil er Dinge aus der Sicht der Männer über Frauen sagte, die so grausam wahr

sind? Zumindest aus der Sicht eines leicht verkrüppelten, an Liebe zu kurz gekommenen Mannes!!!!

Ich habe die Misanthropen in den Büchern geliebt (Cioran, Houellbecq, Nietzsche, etc.) und leider

auch einige davon im wahren Leben. Ist es nicht naheliegend, dass ein Misanthrop, der diese

seltsame Abneigung gegen Menschen generell verspürt, diese auch gegen Frauen entwickelt oder

da sogar noch ausgeprägter fühlt?

Ich habe mich nie für einen Mann wirklich interessiert, bei dem ich dieses Schwanken  nicht auch

gespürt habe. Ich habe Arschlöcher und Sexisten geliebt! Oder war das Begehren?

Offenbar glaube ich, dass das Gefühl einer „Distanz“ und „Abgetrenntheit“ nicht

gleichzusetzen ist mit dem Fehlen von persönlicher menschlicher Wärme!!!

Das ist ja das Verrückte: dass Menschen mit extremen Ansichten oder Ungereimtheiten teilweise etwas ganz Anderes

ausstrahlen! Und dass Andere, die kantenlos und positiv glatt sind und sogenannt „gute Menschen“,

oft so tief verschlossen sind, dass man friert in ihrer Anwesenheit, sie stützen muss und nähren mit seiner nahrhaften Negativität, seinem Stumpfsinn…..

(4.9.21)

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