Ich bin Winterreiterin auf einem Glasteller. Dünn wie Papier, knisternd wie Tümpeleis.
Wer hätte gedacht, dass wir unseren Ausblick einmal herausbrechen und uns bringen um
eine Perspektive von Innen und Aussen. Bleibt da ein Loch, durch das der Wind pfeift.
Erinnert mich an unsere Zerbrechlichkeit, deine und meine, und dass wir selbst die Grobiane waren,
die dreinschlugen, obschon wir uns für ach wie Zarte und Feine hielten im Umgang miteinander.
Aber nun wird es ja einen neuen Ausblick geben. Fort, der heisse Hauch, der die alten Scheiben
von Innen mit Zukunft beschlug, mit Alltagsproblemen anno Sechzig, Küssen in den Siebzigern und
einem aktuellen Schaumbad. An der Festigkeit dieser Scheiben wurde gerüttelt, sie wurden dünner–
—kann Glas schmelzen? Kann es kleiner werden, so wie du und ich kleiner wurden, sag?-
Gegen Aussen vor Kälte geschützt und nach Innen jene schützen vor sich selbst, muss dieses
Glas, das neue. Damit sie ihren Ausblick und ihre Perspektiven nicht zu Scherben schlagen,
in einem Anflug von Zerbrechlichkeit.
Viele Geheimnisse, die sich hinter verschlossenen Fenstern abspielen, werden nie
gelüftet. Dann gibt es resolute Arme, die die zwei Flügel eines Fensters so aufsperren,
dass ein Passant alles sieht, was drinnen geschieht. Ein solches offenes Geheimnis war ich.
Jeden Sommerlang. Und lange bevor es hiess, unsere Fenster seien nicht mehr sicher und
könnten uns, dir und mir, nicht mehr warm geben.
(Brügg, 12.12.20)