(2001)
(aus meinem „Glaubenssatz“, Schlussteil)
„Und doch ist der Film das bessere, echtere Leben! Ich, zum Beispiel, habe immer wie im Film gefühlt!“ – „Was ist das, wie im Film fühlen?“ – „Na, das bedeutet, dass mein Gefühl der verdichteten Dauer und Intensität eine Gefühls im Film gleicht, nicht den fragmentierten oder in die Länge gezogenen Gefühlen des Alltags. Wenn ich etwas sehr Starkes fühle, dann halte ich mit diesem Gefühl die Zeit an. Ich kann dann nicht mehr weiter, nicht mit diesem Alltag! Ich müsste dann zu einer Lösung, einem Schluss kommen, wie man im Film zu einem Schluss kommt. Aber gleichzeitig ist dort das Gefühl unsterblich, im Film, meine ich, es ist gewandelt in diese abstrakte, wunderbar herauskristallisierte Ästhetik. Im Film könnte ich Gefühl immer wieder erleben, es bis zum Exzess auskosten und sterben daran, wenn nur das Leben als Film zu einem stehen würde, so, wie ich zu ihm als Akteur stehen möchte, wenn du verstehst, was ich meine!“ – „Nicht wirklich …“ – „Aber dafür ist die Welt, die mich umgibt, entschieden ungeeignet. In ihr gibt es für jede Szene weder bewusste Akteure noch einen wiederholbaren Dreh. Und immer hängt die Szene von den Umständen ab, den Umständen, die nie schön genug sind, immer diktiert und unterbrochen durch den Alltag, hässliches Füllmaterial, verworren und grau. Ist nicht der Schmerz in der Legende etwas Auferstandenes, während er persönlich nur Trash ist? Der Liebesclochard, hättest du schreiben können, ist ein Mensch, der alles verliert, sein Dach, seine Vernunft, sein warmes Bett. Wie Nizons Mensch, der in Paris zum Bettler wird, löst er sich schliesslich auf und verschwindet.“ – „Weißt du, es verschwinden ganze Menschengruppen. Inseln. Und sogar Länder. Politisch verfolgte. Opfer von Klimakatastrophen, Mädchen, nachdem sie geboren wurden …“