Setzt die Ausübung von Praktiken der Freiheit denn nicht einen gewissen Grad an Befreiung voraus?
M.F.: „Ja, absolut. An dieser Stelle muss man den Begriff der Herrschaft einführen. Die Analysen, die ich durchzuführen versuche, zielen im Wesentlichen auf Machtbeziehungen. Darunter verstehe ich etwas anderes als Herrschaftsbeziehungen. Machtbeziehungen besitzen in den menschlichen Beziehungen eine ausserordentlich grosse Ausdehnung. Dies soll nun nicht besagen, dass die politische Macht überall ist, sondern dass in den menschlichen Beziehungen ein ganzes Bündel von Machtbeziehungen existiert ….
… die Analyse der Machtbeziehungen bildet ein überaus komplexes Feld; sie stösst manchmal auf etwas, das man als Herrschaftszustände bezeichnen kann, in denen die Machtbeziehungen, anstatt veränderlich zu sein und den verschiedenen Mitspielern eine Strategie ermöglichen, die sie verändern, vielmehr blockiert. Wenn es einem Individuum oder einer gesellschaftlichen Gruppe gelingt, ein Feld von Machtbeziehungen zu blockieren, sie unbeweglich und starr zu machen und jede Umkehrung der Bewegung zu verhindern – durch den Einsatz von Instrumenten, die sowohl ökonomischer, politischer oder militärischer Natur sein mögen – dann steht man vor etwas, das man als einen Herrschaftszustand bezeichnen kann. Gewiss existieren in einem solchen Zustand die Praktiken der Freiheit nicht oder nur einseitig oder sie sind äusserst eingeschränkt und begrenzt.“