Ich werde bis auf Weiteres Schwarz (allenfalls Braun) tragen. Mit dem schwarzen Kleid will ich für mich selbst die gesellschaftliche Aberkennung meines Wesens (der Mensch, der ich bin) nach Aussen hin symbolisieren, einerseits, in zweiter Linie die Trauer über meine verlorene physische Anmut als Frau. Natürlich gibt es zwischen den beiden Punkten eine Verbindung …..
Für mich persönlich wäre eigentlich jetzt, mit 47 sowie den Erlebnissen, die ich durch die „männliche“ Leistungsgesellschaft machte, der Moment gekommen, zum „Mannsein“ zu konvertieren. Gemäss Butler sollte dem ja nichts im Wege stehen. Nur frage ich mich, wie sich Butler das denn jetzt genau vorstellt:
Man stelle sich vor, dass ich ab heute meinem Umfeld verkünde, ich sei jetzt ein Mann; keine einzige Person weit und breit würde dies gefühlsmässig bestätigen können. Selbstverständlich könnte ich äusserlich bis zu einem gewissen Grad männliche Züge imitieren, männliche Kleidung, Haarschnitt, Gesten usw ….. ich könnte damit in einer bestimmten Szene, die solche „Zeichen“ entcodieren kann, vielleicht als „47jähriger konvertierter Mann“ akzeptiert werden, ich dürfte bloss nicht sagen, dass ich gerne eine Frau geblieben wäre, aber nur, wenn mein Körper weiterhin schön und verführerlisch geblieben wäre als alterne Frau.
Studien reden von einer auffällig verbreiteten Einsamkeit von älteren Frauen, in der zweiten Lebenshälfte, sie finden keine Partner mehr. Sie wollen und müssen jetzt geliebt werden für das, was sie sind. Aber das ist ein Fake….. Frauen werden kaum je geliebt für das, was sie sind (Bankerin, Managerin, Präsidentin, Chefärztin usw.). Doch, weil sie nicht mehr schön sind, physisch, sind sie nicht mehr verführerisch, und können nicht geliebt werden, so ohne Liebreiz.
Man kann sagen, Liebreiz und Anmut komme von Innen. Aber das ist nicht so. Das Alter kann de Körper/Gesicht so verunstalten, dass es einfach keine Kongruenz mehr gibt zwischen dem Äusseren und dem Inneren.
Ich selbst müsste jetzt dafür geliebt werden, was ich bin, da ich nicht mehr verführen kann. Allerdings, wenn ich es mir genau überlege, bin ich nichts…. und selbst, wenn ich Bankerin geworden wäre …. dies wäre mir nichts …. nichts, durch dass ich meine Identität auszeichnen will.
Für mich gibt es nur einen ästhetischen Gesichtspunkt.
Ich weiss nicht, wie eine Frau ab 45 in den Spiegel schauen kann, ohne von heftigen Suizidgedanken heimgesucht zu werden.
Dieser späte, reife Blick in den Spiegel spricht: dein Wert ist verloren, dein Scheinen, dein Glanz. Und alles, was du jetzt noch kannst, ist, dich auf menschliche Eigenschaften zu fokussieren. Oder aber eben: theoretisch zum anderen Geschlecht zu konvertieren, denn ein hässlicher alter Mann besitzt diese universelle Männlichkeit, die die zeitgebundene Anmut der Frau überdauert, genaugenommen ist die Männlichkeit/das Mannsein sogar dem Menschsein übergeordnet. Ein Mann muss und fragt sich nicht, worfür er geliebt wird, da sich diese Frage für ihn schlicht nicht stellt, die Frage, wer er als Mensch ist, ist für ihn irrelevant.
Ich könnte also behaupten, ich habe die Schnauze voll, länger die Frau zu sein, zu der mich eine androzentrische Weltsicht gemacht hat, ich könnte nach Butler, ab heute in meinem Umfeld sagen, ich sei nun ein alter hässlicher Mann, was mir tausendmal besser gefällt, als eine alte hässliche Frau zu sein…. und ich könnte meine Unterhose runterlassen, und den Beweis liefern, dass all das, was Butler sich so schön vorstellt, Irrsinn ist: denn ich hätte ja nach wie vor das Geschlechtsteil, das den Frauen zugeordnet wurde.
Hat jemals jemand behauptet, dieses Geschlechtsteil sei potent? Dieses Geschlechtsteil könne das andere Geschlecht pentetrieren? Dieses Geschlechtsteil, das so ganz ins Innere des Körpers verwachsen ist, könne ein Symbol von Stärke, Wachstum, Kraft, Überlegenheit, universeller Grösse sein?! Dieses Geschlechtsteil kann nicht mal seine Macht nach Aussen demonstieren, es frisst die Kraft, die vom Penis kommt, ja förmlich in seinen Körper hinein …. dieser Penis, der einer Frau so fehlt …… (Ja, klar, Freud hatte Recht).!!!!!!
Zu sagen, ich sei ab heute ein Mann, und dabei einen weiblichen Hormonzyklus zu haben, der meine Gefühle und sogar mein Denken in unglaublicher Weise beeinflusst, wäre in etwa wie zu behaupten: ab heute ist dieser Kugelschreiber Gott!
Natürlich kann man einem Kleinkind mit Vagina sagen: Du bist ein Junge. So, wie man einem Jungen sagen kann, falls er völlig hermetisch aufwächst, du bist ein Kugellschreiber! Aber was ändert das an den Geschlechtsteilen, den biologischen Merkmalen der beiden Menschlein? Die Biologie ist doch nicht bloss eine abstrakte Theorie! Sie ist tief verwurzelt und verlinkt mit den Emotionen!
Sie sagen (Butler u Co.), die Biologie sei zweitranging, und die Kultur müsse sich so verändern, dass der Mensch selber bestimmen kann, ob er weiblich oder männlich sein will? Ja, aber, warum dann überhaupt noch die Definitionen: weiblich, männlich oder binär? Warum dann diese Zuordnungen?
Man kann sich das nicht vorstellen, oder? Dass es den Mann als Mythos nicht mehr geben sollte? Dass es seine symbolische Kraft nicht mehr gibt, dass sie aufhört zu wirken?! Schau hinaus! Und du wirst zugeben müssen: Nein! Man kann sich eine Welt ohne die symbolische Macht des Männlichen nicht vorstellen.
Und wie soll man sich vorstellen, dass es die Frau als Objekt der Verführung und des Liebreizes nicht mehr gibt?
Das ist allerdings eine Vorstellung, die für jede Frau ab Mitte Vierzig Realität wird, es ist für sie, als müsste sie einen grossen Teil ihres Menschseins jetzt bereits beerdigen, und die restlichen zwanzig bis fünfzig Jahre verkrüppelt umherwandeln…… Es ist eine Zeit der Selbstamputation, die, wie fast alles, bei Frauen, unsichtbar und still, vor sich geht ….
Und darum; und weil ich weder als Frau noch als Mensch reuissierte, versorge ich meine Farben.
Die Kunst ist der Ort, der jenseits aller Kategorien angesiedelt ist. In ihr muss das Andere leben. Doch was soll man dort, wenn keiner dann entziffern kann und verstehen kann, was diese Kunst ihm/ihr sagt? Dann führt der Verzicht auf alle kategorischen Zuordnungen nur zu einem weiteren, viel schlimmeren Identitätsverlust ….