Immer noch habe ich Flashbacks, die so nahe aus meinem Innern auftauchen, so dicht auf mir sehe ich wieder sein Lächeln unter mir, sehe unsere erste Begegnung in meinem schäbigen kleinen Kinderzimmer, Szenen des ersten Jahres und des zweiten sind da vor mir, in mir, als wären sie gestern gewesen, als wäre keine Zeit dazwischen. Ich habe gewisse Pics aus dieser Zeit in meine Gallery aufgenommen, einige wenige, denn ich habe mich gefragt oder frage mich: was sind meine Möglichkeiten? Eine so späte Liebe, nach so langer Abstinenz von Jahren, in der ich so blind war, und die ich so überhöhte, wie ein glückseliges Kind, von meiner eigenen Glückseligkeit und Liebe in seinen Armen übermannt, so vielleicht, dass ich ihn vernachlässigte, in meiner Liebe für ihn – so paradox das klingt – diese Art zu begehren und zu lieben, diese fatale Art, vielleicht, muss nicht unbedingt umgänglich machen- diese Umgänglichkeit fand er nicht in mir. Aber wie gesagt, um zurückzukommen auf den Punkt: was soll ich tun? Ich habe diese Geschichte erlebt, zwei Jahre lang und dann noch einmal wollte ich sie wiedererleben, auch, wenn er nur halbwegs zurückkehrte, vermutlich spekulierend, längst, dass ihm eine Frau über den Weg läuft, die ihm die Unbeschwertheit wiederschenkt—- aber nun, habe ich diese Geschichte, die so singulär zwischen meinen trockenen, einsamen, aber auch freien Jahren steht- ich zog zu diesem Mann, ich liess alles stehen, jetzt oder nie; so dachte ich 2018. Aber nun, was soll ich tun (zum drittenmal die Frage an mich selbst):
Man kann die eigene Geschichte nicht selber schreiben, einen Teil davon vielleicht, ja. Aber dann kann eine Geschichte einem entgleiten und man stürzt am Ende aus ihr heraus und zerschellt in Tausende von Scherben. Es ist die Realität, die Wirklichkeit, die plötzlich mitschrieb am Drehbuch und blutige Risse zog durch den blinden Traum. Ich fiel auf die Schnauze! Aber nun: (zum vierten),
kann ich diese Geschichte denn einfach ausmerzen? Kann ich diese Liebe, diese für mich seltene Liebe, in der viel Distanz und Anziehung da war für mich, aber vielleicht auch für mich zu wenig Vertrauen …. kann ich rausreissen, so, als wäre sie nicht gewesen im Strom meiner langen Jahre der fehlenden Sinnlichkeit und Umarmung ….. ich habe gesagt, kürzlich, dass sie in einem Irrtum mündete, dass ich keine Wirkungskraft mehr hatte, sie gestalten konnte. Ich konnte im letzten halben Jahr, bevor er sich mit der neuen Liebe absetzte, nicht mehr mit ihm kommunizieren …. über Gefühle …. ich wagte mich nicht mehr, ich wusste nicht mehr wie …ich, die ich immer über Gefühle redete, in meinem Leben, als wäre Käse oder Brot oder Wetter oder Gesundheit …. es war so leicht für mich … alles zu sagen, was ich fühle und denke ….
… aber seine Art fing an, mir dies zu verbieten. Und dann tauchte ich hinab in dieses Vakuum, den ganzen Frühling lang, weil ich meiner Fähigkeit: der Kommunikation völlig beraubt war. Es hat mich sehr krank gemacht, ich erfuhr mich ohnmächtig, es war, als hätte der Mensch, den ich geliebt hatte, blind wie ein junges Mädchen mich irgendwie abgeschnitten von der Möglichkeit, wirkliche Verbindung zu erschaffen, weil er der Komplexität und der Reflektion überdrüssig war. Weil der der Nähe, dieser sehr nähen Nähe, die ich gebraucht hätte, überdrüssig war! Aber ich will nicht mehr über ihn reden, ich habe den Eindruck, dass ich ihn nicht mehr kenne, vielleicht nur am Anfang etwas kannte. Aber über mich und meine Gefühle muss ich immer noch nachdenken und reflektieren, weil ich immer noch im Schmerz und in der Verwirrung an die Geschichte gebunden bin, weniger an ihn, jetzt, das versteht sich von selbst, aber an die Geschichte, die mein Inneres durchbebte, wann immer ich an seinen Augen, seinem Körper war.
Ich kann die Geschichte nicht herausreissen aus meinem späten Leben. Und sei es die falsche gewesen! Ich kann sie nicht zurücklassen, solange keine neue Geschichte auch mich heimsucht, die ebenso intensiv, erfüllend und bewegend ist. Ich weiss zwar, dass ich vermutlich keine Geschichte mehr erlebe, keine Liebesgeschichte, weniger, weil ich – wie er so gerne sagte, nicht gerade beziehungsfähig bin, was ich nicht glaube – sondern, weil die Krankheit mir die Kräfte nicht mehr schenkt, auszuschweifen, weil ich hier bin, bei mir. Und nur noch hier. Weit würde ich rennen, auch ich, um andere Eindrücke aufzusaugen, Eindrücke, die mich die Singularität dieser Liebe verwässern machen würden, reisen, mich in Dinge werfen, vielleicht sogar flirten ….
Aber ich bin playing-dead. Und war es schon, als er kam. Ich muss die Geschichte in mein Leben integrieren, an dieser unangenehmen späten Stelle, an der sie geschah, auch wenn sie mich, wie ich damals dem Kollegen von FB schrieb, vielleicht tatsächlich tötet, immer noch. Ich muss sie akzeptieren und versuchen ihre unfassbare Widersprüchlichkeit zu verstoffwechseln; seine Härte und Kälte, aber auch unsere Wärme, und den Kokon, den er mir schenkte …. ich muss die Erschütterung, die mich jetzt seit einem halben Jahr nicht mehr selig macht, sondern krank, ertragen, ohne zu relativieren. Akzeptieren, dass ich nicht ändern kann, dass ich diesen Mann getroffen habe und geliebt, und nicht einen andern, der nicht da war. Und dass er mich rausgeworfen hat aus seinem Leben, seinem Herzen, seinem Geist … dass dies möglich ist, auch wenn ich das bisher noch nie in meinem Leben so erlebte.
Ich bin ein Wegwerfobjekt, jetzt, auch noch, nachdem ich schon Trash bin aufgrund meiner Erkrankung. Dann ist da die Grafikationskrise wegen meiner Arbeit, die mich auch schwer krank macht, leider. Aber …
und das wollte ich eben sagen: dass ich entschied, die wenigen Pics dieser Zeit mit ihm in meine Gallery zu integrieren, einfach, weil diese Geschichte nun gottverdammt einmal zu meinem Leben gehört! Weil ich in ihr bebte – allein halt, ohne ihn! Eine amputierte Geschichte, in diesem Sinne, die unterschiedlich erlebt wurde, eine Geschichte, bei der der eine früh ging … der andere es nicht merkte. Aber ich habe sie erlebt. Es ist MEINE GESCHICHTE. Ich habe darüber geschrieben in meiner Prosa, ich schreibe immer noch hin und wieder darüber ….
es ist eine Wunde, ein Brandmahl, aber anstelle von weiteren zwei Jahren Einsamkeit und Leere, habe ich diese Wunden und Brandmahle erlebt, diese nicht heilen könnenden Schmerzen, wieso, weiss ich auch nicht. Und um den Versuch eines Friedens zu finden, mit meiner Geschichte, der ganzen Geschichte, habe ich das Pic „Starion“ von ihm integriert ….
… ich bin ein gefallener Stern, aber ich wusste auch nicht von meiner unermesslichen Verletzlichkeit! Ich war so unschuldig, weil ich so wenig liebte und Beziehungen hatte in meinem Leben. Mein Wunsch war, mein sehnlichster, diese Liebe noch einmal zu erleben! Und dieser Wunsch wurde mir erfüllt. Aber meine eigene Illusion zerstört mich immer noch, meine eigenen Höhenflügzüge …. mein Schmelzen …. an die Liebe selbst ….
…. es ist so tot, so unbewegt ohne diesen Strom in mir! Ich weine immer noch viel zu oft, ich weine, weil ich all die blinde, aufgestaute Hinneigung, die in mir lebt, immer noch nicht vergessen habe, weil ich weiss, wie es ist, sich selig zu fühlen, sogar, wenn der Andere, der Geliebte, sich vielleicht nicht halb so selig fühlte mit mir …..
…. ich muss Loslassen, nicht mehr den Mann, den habe ich losgelassen, aber diese innige Verbindung mit der Liebe, dieses Sein in der Hinneigung, das mich glücklich gemacht hat, wie nichts sonst! Während ich liebte, wollte ich nicht mehr zu Exit, trotz der vielen Symptome, der Bettlägerigkeit, die Liebe war die Gegenkraft zum Tod ……
… aber nun will ich wieder zu Exit und die Abklärungen sind im Gange. Aber auch das absorbiert mich, weil ich nicht glauben kann, dass ich aus meinem Leben scheiden kann, wenn wirklich alles, alles am Boden liegt in meinem Dasein … weil ich nicht glauben kann, dass meine Literatur in der Schublade landet, dass ich geschlagen abtrete, zurückblickend auf vier Jahre, die mich vernichteten. Als wäre dies der Preis fürs Seligsein! Ein so viel zu hoher Preis!
Und nun weine ich wieder. Ich bin sicher, ich bin nicht die einzige, die solches durchmacht. Andere machen es durch, anders, vielleicht, aber dies ist mir kein Trost. Nur ein richtiges Leben kann mich heilen und weiterbringen. Aber ich bin allein. Gesperrt in meine Geschichte, die ich nicht selber schrieb.
Was ich für eine Geschichte für mein Leben geschrieben hätte?
Ich muss es ein andermal erzählen.
Diese Amour Boxen, die ich seit 2020 schreibe, sind sehr persönlich. Aber etwas in mir zwingt mich, sie so, auf diese Art auszutragen, vielleicht, weil es sich nicht um eigentliche Diaries handelt, sondern um eine innere Auseinandersetzung, in der ein Mensch steckt, der von einem andern zurückgelassen werden musste, ohne die genauen Gründe zu kennen. (Love is Magic). Ich schreibe hier darüber, weil ich mich damit auseinandersetzen muss und nicht nur weinen wie im Briget-Jones-Crap-Diary. Aber ich habe keine Ahnung, wie sich sowas für fremde Ohren anhört, und ob solche auch irgendetwas aus diesem Kampf, den ich erlebe, für sich herausnehmen können. Liebe macht Narren. Aber ich fühle mich nicht mehr als Närrin, ganz und gar nicht. Ich fühle mich vom Leben verarscht. Ich habe den Eindruck, dass ich in ein Dasein gesperrt bin, das mich nur quälen will, indem es mir so gut wie all meinen Spielraum u Bewegungsraum geklaut hat.
Es ist eine Art Zwang, chronisch krank und derart eingeschränkt leben zu müssen. Ein Schraubstock, der einen nicht frei lässt. Es ist zum Verrücktwerden. Man möchte so gerne leben, aber die Krankheit lässt es nur in winzigen Häppchen zu. Es gibt jeden Tag Gefangenenmenü durch den Schlitz.
(26.7.22)