Zum „Verschwinden“, soll ich die Frau des 20. Jahrhunderts beerdigen?

werde ich die Frau des Zwanzigsten Jahrhunderts im letzten Teil begraben? Hm. Ich muss aufpassen. Die längste Zeit schon verfalle ich wieder dem Schwarzweissen, ich bin dafür ja immer sehr empfänglich gewesen. Ich hüte mich aber gleichzeitig davor, in eine feministische Schublade abzugleiten. Ich weiss, dass ich mich damit begrenzen würde. Mehrmals wollte ich darüber schreiben/reden, dass von der Krankheit ME, bis auf einen Viertel, nur Frauen betroffen sind. Dass es also kein Zufall sein kann, dass gerade diese Krankheit eine derartige Diskriminierung resp Reduzierung auf ein blosses Wehwehchen erlebt. Ich wollte darüber schreiben, dass die Protagonistin nun finally hasst und zu dem geworden ist, was auf der andern Seite des Misogynisten steht. Aber das stimmt und stimmte einfach nicht für mich! Nicht nur, dass ich keinen Begriff gefunden habe für das Gegenstück zum Misogynisten im Duden (ein vieldeutiges Fehlen!). Die Protagonistin—- und also ich—- überlebte ja gerade in den Eigenschaften, die sie für männlich hält und hielt: bizarr ehrgeizig, wütend und irgendwie leistungswütig, aggressiv, voller Begierden, obsessiv, eifersüchtig auf das Männliche und Weibliche, von Hass ergriffen, egoistisch usw. ….. und nicht durch die weiblichen Eigenschaften der Hingabe, Zartheit, Demut und Schwäche. Diese Eigenschaften sind ja sehr früh in die Krankheit gemündet, das junge Mädchen— das nur für die Romantik lebte, nur träumte, sang, spielte, staunte und tanzte— in die körperliche Krankheit, also, versteht sich, eines zu empfänglichen, zu dünnen und zu hingebungsvollen Körpers.( alle Krankheit ist verwandelte Liebe. T. Mann) Die weibliche Psyche hingegen hat sich das Männliche (den Mythos!) im Laufe der späteren Jahre selbst angeeignet, hat es imitiert, geübt, eingespielt, wie ein fremdes, spannendes Instrument, könnte man sagen. Ich könnte noch weiter gehen, und behaupten, dass ich das, was ich begehrte- das Männliche- in mich hineinnehmen musste- selbst verkörpern musste– weil da keiner da war, physisch genug, mich ganz zu nehmen (siehe Plath)—- dies aber physisch nicht schaffte. Wenn ich die „Frau des Zwanzigsten Jahrhunderts“ am Ende meines letzten Kapitels nicht“beerdige“, dann weniger, weil ich ahne, dass diese kulturellen Rollen der Geschlechter in Zukunft keinen Bestand mehr haben werden— sie werden immer weiter zerbröckeln, auch wenn es bis jetzt noch Revolte dagegen gibt von seitens beider Geschlechter—, sondern weil ich mit meiner eigenen Rolle scheiterte. Wer weiss aufgrund der weiblichen Biologie (schwere Menstruationen, die mein Immunsystem zum Kollaps brachten, Anhimmeln der männlichen Autoritäten und gleichzeitig extrem Angst vor ihnen), erkrankte ich schon im direkten Bezug zu meiner weiblichen Biologie …. aber gleichzeitig weiss ich ja, dass Frauen generell enorm stark und taff sind und es seit jeher waren: als Gebärerinnen, Mütter, Weltretterinnen, als Patriarchinnen, Matriarchinnen, als Untote! usw usw. nicht …. und also muss meine Vorstellung von der Weiblichkeit als Hingabe bis zur Schwäche aus den Büchern des Viktorianischen Zeitalters stammen, und auch da, aus Büchern, die die verklärte Bürgerklasse beschreiben und also eine Art Illusion wieder und nicht die Realität der Armen, hart arbeitenden hässlichen Frauen. Also summagaga, nein, ich weiss nicht, ob ich die „Frau des Zwanzigsten Jahrhunderts“ beerdige, in diesem einen Satz; diese Frau, in die der Götze Mann gepflanzt wurde, wahrhaftig, und sich auswuchs zu dümmsten Illusion seit dem Abgang des Schöpfers! Zum exzessivsten Schmerzgenuss! ( das ist kein Witz, bis etwa 1980 wurde den Frauen beigebracht; das Wichtigste ist, dass sie einen Mann finden, dass sie lieben …).

Also lasse ich das wohl mit diesem Satz und konzentriere mich wieder auf eine Differenzierung, obschon ich das Polarisieren und Radikalisieren halt mag. Wahrheitsgemäss muss meine Protagonistin am Ende sagen: „Ich muss den Mut haben, keine einzige Störung mehr zu sein. Ich muss ohne Erkennungszeichen sein, nach Aussen, unsichtbar. Es ist unbequem, so zu sein, aber ich verschwinde, weil ich durch alle Raster falle. Und immer noch nur Mensch bin.“

Weiter oben, im Kapitel um die Fünfunddreissig, beschreibt sich die Protagonistin noch als eine Art Überreaktion auf den Individualismus. Der nun am Ende des Buches wieder aufgelöst wird. Da es die Selbstverwirklichung ist, die scheitert, eine stupider hirnwütiger Alleingang ohne fruchtbare Hinterlassenschaft.

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