… Geheimes Leben, wie unter Wasser. Auch in diesen Zeilen. Oder in dem, was aus ihnen spricht.
Diese Art, mit der ich seit Jahren in einem Zwischenspeicher lebe (die digitale Spalte) zur Hälfte sichtbar sein will, zur andern verschwunden bleiben will. Ein bisschen wie ein Geisterfahrer, der noch nicht entdeckt worden ist, aber allmählich konstatiert: Ja, scheisse, ich steuerte in die falsche Fahrbahnrichtung. Es könnte bald mal knallen.
Erschöpft und müde, wofür es keine Worte gibt, da lästig, Müdigkeit anzuerkennen.
3h gebraucht, um 45 % dieser Gedanken, hier, Einbahnfahrt, marionroad, rauszukicken, endlich. Seit 2017 ist mein äusseres Leben zum Stillstand gekommen. Seit ich dieses Tagebuch im Zwischenspeicher zwischen mir und dem Aussen digital fortsetzte. Das war, als es mich endgültig in die Horizontale haute, nach zwanzig Jahren Halb-Horizontale. Und konträr zum überhöhten Elfenbeinturm, in dem ich bis anhin rumgetollt hatte, löste sich ein dünnes Vorfenster. Bisschen Wind nur, filigranes Lüftchen drang durchs Gemäuer von Draussen, eigenartigerweise zum Zeitpunkt, als ich auf die grösste ME-bedingte Isolation zusteurte.
Mit einem neuen Blick auf mich sehen; ich, die ich mich nur von Innen begriffen hatte, damals, als Göre. Aber wenigstens ganz. Ganz und anders. Als hätte ich—- Frau des Zwanzigsten Jahrhunderts— ein Anrecht auf die Besonderheit—gehabt— als könnte das Frausein sogar die Krankheit irgendwie noch entschuldigen, rehabilitieren, aufheben—– nicht? Diese Müdigkeit, die fürchterliche Erschöpfung die der Körper in mir anstellt. Jeden Monat die Bedingungungen für neues Leben herstellen, abreissen, herstellen, abbrotzen, aufbauen. Sogar jetzt noch, wo ich grau bin und mich, – Beauvoir – die Frau soll also die Art
erhalten, und dafür braucht sie Kontinuität, sie empfängt das fliegende Spermazotoen usw. des Mannes, der sich selber in die Welt ’setzt‘ ja bla–
aber hätte sie auch begehren dürfen? Diese Frau, meine ich? Hingehen und wirklich begehren …?
Abe ok. Ich habe meine Tage, und da kann ich sieben Tage nicht denken. Da muss alles entschuldigt werden, was mich ausmacht, seit dreissig Jahren. Hochgerechnet ergibt das viele Jahre, in denen ich nicht denken kann. Aber in der Gesamtperspektive, zb. von einem anderen Stern aus ist das eine lachhafte Bemerkung. (Oder von Gaza aus.. Nein, das hätte ich nicht denken/sagen dürfen.)
Rausgekickt also. Habe ich fast die Hälfte der Einträge aus marionroad. Reduziert von 1500 Einträgen auf 700. Aber vielleicht reduziere ich weiter. Vielleicht, denke ich, kann ich sukzessive runter. So, wie ich das im „Verschwinden“, Manu, jahrelang machte. Reduziere ich also weiter. Zirka auf 100 Seiten, wäre eine Idee. 100 Seiten entsprechen einer schlanken Novelle. Kein Satz zuviel. Oder weiter reduzieren, von 100 auf 50 von 50 auf 30, von 30 auf 10 usw. Dann wären da Schlagzeilen. Ich meine, wie oft denke ich, ich könnte weiter streichen, verdichten– in die eine Richtung die Entropie wachsen lassen, dann in die andere. Schwindellerregender Punkt der wie eine Fliege kreist um die Leere.
Das Leben hat wirklich keine Essenz mehr, wenn das Ding zwischen den Beinen einer Frau Anlass für Scham wird. ( Naja, ich habe drum wieder Houellebecq gelesen. Ihm, dem ich vor bald fünfzehn Jahren bei einer Lesung einen Kaktus schenkte. Der sich die Welt als alter Mann nun als eine Oberfläche voller junger millionenfacher Muschis vorstellt— Muschis, die alle ihm/dem weissen alten Mann zustehen müssten. Ich habe Houellbecq geliebt, damals, als keiner ihn kannte. Für keinen der Gründe, aus dem sie nun einen Clown aus ihm machen. Sondern für seine tief berührende Menschlichkeit, sein depressives Elend, zwar— und darum waren seine ersten Romane auch die besten—- aber, wie gesagt— was ich eigentlich meine ist, dass ich ihn auch als alte weisse Frau verstehe, grad. Als alte weisse Frau, deren Schicksal vereinsamter Säuferinnen er auch immer noch erschütternd und süffig beschreibt in seinem ‚Serotonin‘.
————- oh, Gott————— ‚die Liebe der Frau ist ein tektonisches Wunder‘—– das sagte Houellbecq, der Sexist—- jetzt fällt mir wieder Beauvoir ein: unsere Keimdrüsen haben einen neutralen gemeinsamen ‚Vorfahren—
dann in Kapitel zwei wurde der Körper des Mannes zum Mann. Der Körper der Frau zu einem Körper in einer Frau, die ein Körper ist. (Beauvoir).
Ich meine, marionroad, ich habe diese Zeilen hier in den Zwischenspeicher gehauen, weil ich trotzdem gelebt habe, trotzdem da war. Auch als Krüppel. Aber meine läppische kleine Arbeit habe ich noch nicht nachgeschoben. Und da komme ich wieder auf Romand, den Hochstapler, zurück. Er hat Carrere fasziniert. Weil es eine Oberfläche gibt, einen fetten Teppich der Konformität– und einen Abgrund—- mich hat daran auch die Wahrheit beschäftigt. (als ich ein klein wenig denken konnte, in der Mitte meines Zyklusses). Ist sie nur eine Art ungefährer Wert ….? Die Wahrheit? Ich habe gedacht, ja! Ich möchte jetzt auch an die Oberfläche, weil niemand mit mir unten ist; Unter Wasser. Ausser einer, der auch fand am 31. Dezember 2024: „Unsere eigene Historie hat uns überlebt.“ –
„Aber warum hast du denn niemals mehr eine Frau erobert, seit mir? Du, der ganze Körper …. Für einen generalisierenden Schwarzweissmaler hältst du mich. Hihi ja. Ich mag dich seehr. Aber schau, es ist sinnlos. Wir sind zu Zweit noch unbegehrter als jeder allein für sich es ist. So stehen wir in der Welt. Das ist unsere Konstellation gewesen. Unsexy. Wir sind zu Zweit noch doppelt vergammelte Fotoalben. Mein Treuherzigster, ich ersticke.‘
Ja, aber, er wusste und weiss einfach zuviel von mir! Der, der mit mir zusammen zur Geschichte wurde!!!!!
Zum Dezember 2024: Die Bekannten sind es aber doch gewesen, in denen ich diese Treuherzigkeit auch erblickte. Wenn dir jemand zuwinkt, winkt und winkt beim Abschied in der Türe, zerwühlt es dich dann trotzdem. Wie in der Spülmaschine rotieren deine Emotionen, diese unechten, doppelt echten, schönen Barockperlen. Mit dieser echten Treuherzigkeit haben Grosi und Grossvati uns doch immer zugewinkt. Solange, undendlich lange — damals—- bis wir hinter dem letzten Baum des Blocks verschwunden waren— Sie wussten, was wir nicht wussten: innen drin, in ihren Körpern steckt die Endlichkeit— sie pulsiert leicht —–
nicht wissend um den riesigen Rahmen der Unendlichkeit, drum herum.
Aber: das Nichtwissen, Nichtfassenkönnen—– es drängt.
Die Treuherzigkeit einer alten Freundin, die jede Weihnacht an der Panaroramawarte klingelt. Die Innigkeit einer Schwester, mit der man in Krisen auseinander ging, Tongefässe zersplitterten. Wieder da stehen wie die verdammten, seligen Blutsverwandten, als wäre es einfacher in alter Treue füreinander zu stehen. (ja, aber Herrgott, ich wollte auch in Neuen aufgehen.
heimkommen nach Sickhouse ist auch: heimkommen in den Zwischenspeicher. Das von mir geschaffene Vakuum.
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