„Willst du tanzen?“
Wie klein das Bubi war!
Er zog das grosse Mädchen auf die Tanzfläche.
Sie war mindestens zwei Kopf grösser als er. Aber was soll’s!?
Also: die Tanzfläche in einem Kuhstall. Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Und statt der Kuhaugen in ihren Boxen, Skier und Skistöcke mit Eisaugen,
aus denen es tropfte.
Es war Michael Jackson, der wimmerte:
„Why, why? Tarratatatata why uaaahhhh …“
Zwei Kopf grösser als er, wirklich und wahrhaftig.
Und auch sonst (wie das bei den Vierzehnjährigen Mädchen so
ist im Vergleich mit den Jungs) verloren in ihrer frühen Reife.
In allem weiter als er. Nur in den (Schul)Fächern, da war er ein Meister:
Streber, der hochkommen soll, aufs Gymi bald.
Karriere, ehrgeiziger Doktorssohn.
So zart und fein sein Profil, das reinste Kind. Wie gerne hätte sie mit
ihm mit Murmeln gespielt. Schielt zwischen den Pultreihen von hinten
(sie sitzt immer zu hinterst, versteht sich, die besten Aussichten)
zu ihm rüber und sah wie Bubi litt: in seinem Zwangskorsett.
Oh, Shit! Konnte er es überhaupt schon fühlen?!
Sein schwarzes Haar so nah an ihrer Brust, dass sie es nicht fassen konnte:
Sie, hier und jetzt mit ihm am Tanzen! Doch zog er sie nicht nah an sich heran.
Nur lose dieser Tanz, filigran, zu zweit. Köstlicher Äther für sie, für ihn Sicherheitsabstand.
Was dachte er wohl? Sie fragte sich das.
Was ging wohl hindurch ihn? Sie sprachen nicht beim Tanz
Und überdies: zu schnell war alles vorbei. „Danke.“ Wispern kühl, er.
Verschwand.
Das war also ihr erster Tanz. Sie hätte Weinen können vor Traurigkeit,
Erregung! Ergriffen! Auch im Höschen! In diesem Kuhstall, wo es nach Chili
con Carne und Skipomade stank. Und doch war alles kurz getaut:
Einsamkeit, Angst. Das Unverstandensein der ersten Jugendjahre.
Hitze hochgespühlt: äusserste Verwirrung.
—- Dann Tanzen ohne Boden, mehrere Jahre. —— Und dann:
Ach ja, noch John! Der sie „holte“ für den Abschlussball.
Gross und schlacksig, Ami, eigentlich. Herumwirbelte sie im Kreis,
unter brennenden Discokugeln, Tausende winziger, beissender Flausen.
Drängt es sie immer weiter von der Tanzfläche ab.
Dann in diesem dunkeln Winkel. Grübelt sie angestrengt:
Dynamik des Tanzes? Oder wie kann das sein: dass wir tanzen nur
mit drei Beinen, so?! Auf diese Art! Das bringt mich noch um den Verstand!
„Danke!“, sagte der lässige John und zog das dritte Bein zwischen ihren
Schenkeln hervor. Verschwand hinter dem Mischpult.
Der letzte Song: nicht zu ihr durchgedrungen. Dann: die Lichter an:
lauter zerbrochene Bierflaschen. Und der Boden der Mehrzweckhalle!
—-
—- Tanzen in der Adoleszenz—– nein. Das heisst einmal:
Es ist schon vier Uhr morgens, die Türen zum Lüften stehen offen.
Drum’n Bass getanzt wie Rock n’Roll, ein bisschen:
Ein Stoss, und sie schmettert an H’s Brust heran. Ein Stoss, und sie fliegt nach
Hinten mit aller Kraft. Alles bewegt sich, dreht sich, bricht unten auf,
zwischen ihren Schenkeln und obendran zwischen der Sehnsuchtsrippe:
grässlicher Sonnenbrand, die Tanzfläche
ein Riesenrad. Stürzen im Suff für die Göre ist so weich, so lustig:
Splitter und Schrammen: weil, kann ihr nichts anhaben.
—-
Grosses Mädchen möchte noch einmal tanzen.
Sich bewegen, mit dir, langsam. Langsamer, vieeel, als beim ersten Mal!
Schritte gehen im Kreis, mit vier Beinen oder mit drei’n. Oahhh!
Bis zum toten Punkt; ein Entzücken, das sich mit der Musik dreht.
Und dann: wie unsere Körper sich auffüllen: ich, ein Schwamm in
deinem Honig! (O Gott, so habe ich dich verstanden! Nur so!)
Aber halt, gottverdammt nein! Was man sich sehnlichst wünscht,
nie trifft es ein! (Das ist ein Gesetz).
—–
Alte!
—-
Üb also im Trockenen! Üb dich im Trockentanz:
Tränen der Vergeblichkeit, sentimentale Rückschauen,
Verklären der wenigen Highlights, abzuzähl’n an einer Hand:
dies war mein letzter Tanz, (als schlafender Flamingo, auf einem Bein)
——
„Why, why? Taratatata, why uaaah….yyy….“
(1.11.21)