War gerade auf einem kleinen Dorf-Spaziergang. Direkt rechts von meinem Block hinter der Autobahn ist das kleine Wäldchen! Gestrüpp und Grün, Nesselartiges nahm in den letzten Wochen einen Höhensprung! Oh Wald meiner Kindheit, habe ich gedacht und in die Kronen geschaut! Auf einmal hatte ich Lust, zu rennen. Da ich mir bestimmt alles gebrochen hätte, habe ich es nicht getan.
Ich schlängelte mich also durchs Grün und kam bei den Randsteinblumen beim Friedhof, wo ein Schild Richtung „Industrie Brüggmoos“ weist, wieder raus.
Ich liebe und pflücke Randsteinblumen und stelle sie meinem Liebsten nachts um drei ans Bett! Randsteinblumen wachsen aus den getäferten Steinen am Gehsteig, sogar aus dem Beton! Ihre Namen weiss ich selten! Aber sie vermischen sich mit den zartesten und struppisten Gräsern! Welch Wuchs! Es grünt!
Nachdem ich also auf der andern Seite des Wäldchens wieder heraus schlüpfte und der Strasse entlang diesseits der Bahngleise wieder zurückkehrte, kam ich zur Kirche und zum Kirchgemeindehaus! Ich humpelte zu einem Glaskasten und wollte einmal sehen, was die Kirche meiner neuen Gemeinde so bietet.
Ich bin ja Agnostiker, bei dem die Sehnsucht nach Gott nicht erlischt. Auch hätte ich schon länger mal wieder Lust gehabt, in eine Predigt zu sitzen. Ich denke, es könnte mich beruhigen, wenn jemand auf mich hinab predigt! Erstaunt stellte ich jedoch fest, dass keine einzige Anzeige für einen Gottesdienst an der Pinnwand aufgespannt war, nur „Seniorennachmittage“ und „Züpfen-Essete!“
Dies hat mich ein wenig erstaunt, steht Pfingsten doch vor der Tür. Etwa vier Wochen nach meinem Einzug an der Pfeidstrasse habe ich eine Einladung als neues Gemeindemitglied von der hiesigen Kirche per Post gekriegt! (Aber nicht für einen Gottesdienst!) Für ein persönliches Vorstellungsgespräch!!!!!
Über dem Glaskasten steht „Gemeinde Bürglen“, was mich etwas verunsichert. Ich glaube nämlich, ich sei der Gemeinde Brügg bei Biel zu gezogen, aber vielleicht muss ich da nochmals über die Bücher!
Ich ging also weiter, zu Fuss. Beim Gehen habe ich die Angewohnheit, noch mehr zu denken, als in Ruhe. Früher bin ich daher immer schneller gegangen, je mehr ich dachte …. ich lief also fast …. Dadurch blieb ich um den Bauch lange Jahre so schön schlank wie eine gemeisselte Gerte.
Direkt an die Kirche schliessen die kleinen Einfamilienhäuser und verrauchten Blöcke in kunterbuntem Durcheinander. An Brügg gefällt mir eben dies: Tradition, Vorort, schöne Bauernhäuser mit Fachwerkstruktur, Wohnsilos mit Banlieu-Flair gestopft mit Indern und afrikanischen Dealern und eben spiessig-unscheinbare Blöcke neben scherbelnden Häuschen, die in den 30er Jahren mal funkelten.
Die die Herunterkommen. De, die sich noch hoch schaffen …. und die, die eine gewisse Solidität bewahren ….versammeln sich hier! Hier wohnen wir!
Ich hörte nach ein paar Metern ein tolles, verführerisches Geräusch und sah zwei Jungs in einem Garten Ping-Pong spielen! Wow! Wie lang hab ich nicht mehr gesmasht! Mit Vierzehn Jahren durfte ich wegen meiner Smash-Vorhand beim Ping-Pong spielen am Kantonsfinal des Kanton Berns, Schweiz, mitmachen, und verpasste den Einzug in Final als Vierte nur knapp! Allerdings kamen nur die ersten Zwei weiter ….
Tischtennis braucht nebst Vorhand und Smash-Lust auch Taktik und gute Nerven. Die gingen mir eher ab. Stolz war ich natürlich, als ich am Kantonsfinal durchs Mikrofon aufgerufen wurde, mein weisses neues T-Shirt in der Garderobe auszuwechseln. Es war nämlich verboten wegen des weissen Balls Weiss zu tragen! Ich wollte meine Gegnerinnen mit meinem weissen T-Shirt aber nicht etwa täuschen! Mein weisses T-Shirt hatte jedoch einen tiefen V-Ausschnitt auf der Rückseite. Dies fand ich einfach den letzten Schrei! Ende der Achtziger Jahre in der biederen Landgegend, in der ich aufwuchs.
Oh, Wald meiner Kindheit.
Die Autobahn hat an Feiertagen grossen Zulauf, aber sonntag morgens um Zwei wird sie manchmal still. Dann kommt mein Kater Hopfi und spielt sich wichtig auf meinem Balkonrand auf!
Es ginge nicht darum, dass ich den Inhalt einer Predigt verstehen würde …. ich möchte nur den Habitus einüben, im Zuhören! Auf einer harten Bank sitzend mich unterwerfen …. dies hat sogar Blaise Pascal versucht, an seinem Ende! Er, der entdeckt hat, dass der Mensch ein Schilfrohr ist in der Unendlichkeit, bekam vor seinem Tode unendlich Schiss …. er wurde wieder klein ….
Seit ein paar Jahren habe ich das Gefühl, dass ich beim Gehen einen drohenden physischen Kollaps zur Seite zu schreiten muss resp schleppen versuche …! Ich lass das aber mal so stehen, da ich aktuell wieder eine obsessive Introspektion gegenüber meiner ME-Symptomatik entwickelt habe. Ich will aber SPRACHLICH FÜR EINMAL NICHT IN DIE SYMPTOMATIK HINEINGEHEN …
(ME-Artikulation, spezifische, hat schliesslich zur Zerrüttung mit meinem Ex, dem Germanisten, geführt. Und sie rüttelt auch schon an meinem Tastsinn-Schaum-Meer-Paradies mit meinem Neuen, dem Blümchen-Mann…)
Der Zusammenbruch meines Denkens ängstigt mich furchtbar! Ich will beim Gehen, beim Stehen, beim Sitzen beim Liegen, was mich physisch durch die fehlende Homöostase alles quält, nicht daran denken, dass mein Denken jemals endet! So klein die Spazierwege auch werden ….
Jetzt bin ich wieder daheim und habe doch das Gefühl, dass mir irgend ein Insekt durch die Strumpfhose krabbelt! Oder gleich mehrere! Dies wäre bei diesem hohen Gras, durch das ich mich schängeln musste und das in den letzten zwei Wochen so gewachsen ist, keine Überraschung. Von den Zecken habe ich keine Angst. Da ich seit Jahrzehnten eine Erkrankung habe, ohne zu kapieren, wer oder was mich so GEBISSEN hat …!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Also: Thematawechsel: Ich trage heute eine schwarze Hose, die beim Kauf über Online-Markt elegant und lang war. Zu einem solchen Tenue trug ich früher, als ich noch wie eine Kerze schlendern konnte, gerne hochhackige Pumps. Damit konnte ich gut und gäbe über Einen Meter Achtundsiebzig werden … darum. Züpfet-Essete!
Aber gestern musste ich mit einem mal die Schere nehmen und den Saum auf Knöchelhöhe nullkommaplötzlich abschneiden! Da ich unmöglich noch einen Saum unten an meinem Körpersack nach mir weitere Jahre über den Boden ziehen … schleppen kann!****
Nun sieht der Saum völlig zerfressen und ausgefränselt aus. Doch dies kommt wenigstens nach nicht allzu stark zur Geltung, da ich ja bis zu 28 Grad Celsius noch schwarze Leggins respektive Baumwollestrumpfhosen unter den Hosen trage … zusätzlich.
Indem ich die Hose abschnitt, habe ich sozusagen mit einem Schnitt die Eleganz und Integrität einer Hose zunichte gemacht!—–
Die Sonne geht gerade unter. Die Vögel haben noch wichtige Themen zu besprechen, in aufgeregten Schüben zwitschern sie. Das Licht am Horizont verglimmt. Ich liebte meinen Ex, wenn er an seinem Glimmstengel zog, ich dachte dann immer: Jetzt, in diesem Augenblick saugt er an seiner Zigarette und nicht an mir …. gleichzeitig wollte ich seine Zigarette sein! Wir verglommen langsam … über Jahrzehnte. Und nun zieht mein Ex, dessen Raucherhusten mich mit den Jahren anwiderte, in meine ehemalige Wohnung in der Stadt, in der wir über fünfzehn Jahre miteinander abwägige, endlos lange Diskussionen führten. Über meine Literatruhr, aus der nichts wird …
DA ICH UNMÖGLICH EINEN SAUM UNTEN AN MEINEM KÖRPERSACK NOCH WEITERE JAHRE ÜBER DEN BODEN ZIEHEN … SCHLEPPEN KANN …. ist dieser Satz verständlich? –
über meine Symptome, die immer mehr wurden … über unsere Liebe, die nach ein paar Monaten im Bett nie wieder was wurde … über seine erkauften Dominas, die ihm die Kindheit auspeitschen sollten, über jenes und alles Mögliche …
In Kaffees, wo es den stärksten Kaffee gab, am Hopfenweg, wo ich mit Kater Hopfi meine schönsten Jahre in fast Jugendstil-ähnlichem Garten verbrachte, am zubetonierten, militärgrünen Berner Strassenrand, in Parks und die letzten fünf Jahre an der Hildanusstrasse …. da, wo zurzeit all meine Hausspuren rausgesprengt werden und aus dem relativ mageren Wohn-Schmuck-Gestein einLoft- Juwel gezimmert wird …
Oh liebe Verwaltung Bracher und Immo!: Wenn ihr wüsstet, wie viele, viele Jahre mein Ex an seinem Glimmstengel ziehen musste, um sich dieses harte Workaholic-Leben zu verdienen …. !!! Seine Fingerkuppen, Zähne, Wangen sind von der Malocherei ganz gelb!
Wegrandblumen. Randsteinblumen. Eine Mohnblume! Sah ich! Spriessen aus dem Stein. Zwischen Wuchs aus predigendem Gras.
Dann kam ich an einem Mann vorbei, Jogginghose, schwarze Brille im Gesicht, ein paar Kilos zuviel (wie ich, seit ich nur noch denke, ohne meinen Schritt/Kalorienverbrauch zu zu beschleunigen. Dies wäre ein Ding der Unmöglichtkeit, physische Beschleunigung ….). Der Mann grüsste mich, und ich senkte das Gesicht. Das war dumm von mir. Habe ich mir doch fest vorgenommen, dass ich dann, wenn ich endlich aus der Stadt in eine kleine Gemeinde gezogen bin, die Passanten, die mir zufällig begegnen auf meinem Weg, regelmässig grüssen werde.
In der Stadt habe ich mich für die grosse Lust geschämt, die mich überkam, in die Gesichter meiner Beiwohner (Nachbarn) zu gaffen …
Nun bin ich wieder ein Landbewohner, und die Postbeamtin kennt mich bereits wegen meiner dezenten Shopping-Sucht. Regelmässig bringe ich ja die Pakete zurück oder lasse sie von meinem bevollmächtigten Freund zurückbringen, weil die Ware (Kleidung) ihren Glanz verliert, sobald sie bei mir eintrifft, von meinen steif zitternden Händen ausgepackt und anprobiert worden ist ….
Die Einkaufsfrau kann ich natürlich nicht darum bitten, für mich die Mode-Pakete zurück auf die Post zu bringen!!! Jemand der so krank ist, dass er nicht selber Milch und Äpfel tragen kann, kann nicht gleichzeitig fashionisiert sein …
Nach meinem Spaziergang wurde mir von der Dachwohnung aus ein Apfel über den Balkon an einer Schnur befestigt ins Erdgeschoss abgeseilt. Direkt vor meine Nase! Ich muss vielleicht sagen, dass ich diesen Apfel persönlich bestellt hatte beim dortigen Hausbewohner, dem Blümchen-Mund-Mann. Wie ich ihn liebe. So sehr, dass ich hier her gezogen bin.
Kirchenglocken fingen an zu läuten, die moosig tönen. Nicht die von Brügg, sondern vom noch kleineren Kaff, Ägerten.
Wenn man Vierte ist, muss man immer noch die Dritte überholen, um Zweite zu werden.
Ich mein(t)e nicht Literatruhr, ich mein(t)e Leben.
Gerade wer keinen Gott hat, braucht ihn am meisten.