Olympiastadion Berlin, 1998
Schatten fällt auf die Stiegen, welche an den Himmel grenzen. Die Plätze, braune Plastikbänke, die von weiten wirken wie in die Luft gebaute Springhürden oder rostige Haarnadeln, sie sind geräumt. Es ist Sonntag. Es gibt ein, zwei Zuschauer, die auf der gewaltigen Tribüne sitzen, weit auseinander, vereinzelte kleine Farbpunkte. Ein junger Mann liest. Zwei Personen mit Lunchpaketen suchen einen Stuhl bei der Ehrentribüne. Mehrere Leute halten sich auf dem Beckenrand eines grausteinigen Kolosses auf, leichtfertig staunend. Gedämpfte Stimmen werden vom Beton geschluckt. Jemand meditiert. Das Stadion hat einen gigantischen Rücken nach allen Seiten. Feindseligkeit konserviert sich irgendwie in seinem Innern. Gleichzeitig scheint die äussere Welt weit weg, irgendwie nicht mehr vorstellbar. Hin und wieder ziehen ein paar Krähen am Himmel einen Schattenwinkel. Alles in allem ist es völlig windstill. Vor der Gedenktafel sitzen die Leute paarweise, aneinandergedrängt. Auch sie scheinen verlangsamt. Ruhen sie aus? Ich bin schon zum dritten Mal hier, ohne zu wissen, warum. Je länger ich hier sitze, umso mehr habe ich den Eindruck, dass ich zu Stein werde.