Prosa_Mann verkauft Auto

Mann verkauft Auto

 

Mann, Anfang Vierzig, verkauft Auto, gut erhalten, und Frau dazu.

Hallo, ich schreibe dieses Inserat für meinen Mann, der mir eben gebeichtet hat, dass er leider auf Ende Jahr pleite ist. Schweren Herzens verkauft er darum sein Auto ab 1.1.20  an solventen Käufer, wobei er mich gleich mit verkauft oder auch gratis hinzu gibt. Ich bin zwar kein Autoprofi, aber soviel ich beurteilen kann, ist die Karre trotz älteren Jahrgangs in gutem Zustand und hat viermalvier Antrieb. Die etwa sechzehn Premiumreifen können nicht platzen und verfügen über einen Zahnradeffekt, so dass sie sich im hohen Schnee, wie in reissenden Bächen extrem gut verbeissen. Wie das Auto meines Mannes bin auch ich älteren Jahrgangs, aber leider weniger gut erhalten, ehrlich gesagt, ich persönlich zweifle sogar daran, ob für mich überhaupt noch Preise zustande kommen. Dass mich mein Mann in Kombi mit seinem Auto verkaufen und nicht direkt verschrotten will, erstaunt mich, ehrlich gesagt, etwas. Ich schliesse aber daraus, dass er mich ein kleines bisschen gern gehabt hat, ehe ihm das Auto dann verleidete, wegen dem ewigen Untendurchmüssen und Pleitesein, zwar! Wer weiss, vielleicht verleidet meinem Mann nächstens auch noch die Wohnung. Der Job ist ihm ja schon längst verleidet! Den hat mein Mann darum auch schon an den Nagel gehängt! Wenn ich meinen Mann so anschaue, und sehe, wie niedergeschlagen und angewidert er sein Auto anschaut, lese ich in seinem Gesicht, dass ihm das Auto nichts mehr bedeutet. Und dieser Blick steinigt mich. Denn genau mit demselben niedergeschlagenen Blick, mit dem er sein Auto anschaut, während ich ihn heimlich beobachte, schaut mein Mann in letzter Zeit auch mich an. Da mein Mann nicht sehr oft mit mir redet, kann ich übrigens nur Mutmassungen anstellen: Wahrscheinlich will sich mein Mann von all dem Karrumpel trennen, um wenigstens einmal im Leben das Gefühl zu haben, er sei frei. Solange er noch Geld hatte und nicht pleite war, konnte er von dieser Freiheit schliesslich nur träumen. Aber noch einmal: ich will damit nicht sagen, dass ich die Träume meines Mannes wirklich kenne! Mein Mann hat sicher kein Traumauto gefahren, aber dass er ein sicherer Autofahrer war, kann ich bezeugen. Immerhin bin es ich gewesen, die auf dem Beifahrersitz in seinem Auto in letzter Zeit Platz nahm. Oftmals, wenn ich so neben meinem Mann auf dem Beifahrersitz sass, schaute ich heimlich zu ihm rüber und dachte zwei Dinge: erstens: ich kenne meinen Mann ja gar nicht! Und zweitens: wie begehre und liebe ich doch meinen kleinen, süssen, allerliebsten, herzigen, übrigens fast immer über Müdigkeit klagenden Mann! Nicht selten habe ich meinen Mann auch angeschnauzt, er soll innerorts bitte langsamer fahren! Mein Mann ist nie zu schnell gefahren und ganz bestimmt war er nie ein Raser. Ich kannte nämlich einmal einen Raser-Mann, wisst ihr! Und das war zufällig mein Vater! Der fuhr innerorts wie ausserorts so rasend schnell, dass ich auf dem Beifahrersitz nicht selten die Augen schloss. Waren wir auf einer Landstrasse unterwegs, und kam uns ein Laster entgegen, rückte mein Vater bis auf wenige Zentimeter auf den Automobilisten vor ihm auf. Dann drückte er aufs Gaspedal und der Zeiger, der die Stundenkilometer anzeigte, schwappte auf hundertvierzig! Ja, echt! Oder waren es Zweihundertvierzig?! Ich bin leider total autoblind, und Zahlenblind obendrein. Befinden sich auf einem Parkplatz zum Beispiel das silbrige Auto meines Mannes sowie mehrere Autos, die ebenfalls das Auto meines Mannes sein könnten, weil sie ebenfalls silbrig sind, steige ich oft ins falsche Auto. Auch sonst bringt mich alles, was Räder hat innert Kürze zum Gähnen! Ich weiss, das tönt altmodisch, und als wäre ich nicht gerade emanzipiert. Nun, das kann ich nicht gut beantworten, da ich die Bedeutung des Begriffs: Emanzipation im Zusammenhang mit mir nicht wirklich verstehe. Sicher, ich verstehe die Bedeutung des Begriffs im Bezug auf die Frauen, das schon. Aber das ist doch etwas Anderes! Wenn ich sage, dass ich vielleicht eine altmodische Frau bin, bedeutet dass leider nicht, dass ich darum gleichzeitig eine anschmiegsame Frau bin! Gut möglich, mein Mann tappte in diesem Punkt in eine Falle, als er mich aus allen andern Frauen für seinen Beifahrersitz erwählte. Es stimmt zwar, dass ich mich immer nur für mich, mein unmittelbares physisches und emotionales Wohl, meine Schminke, schöne Filme und romantische Naturplätzchen interessierte. Aber allein, weil ich von meiner Einfältigkeit wusste, konnte ich ja nicht dumm sein! Da ich aber von Maschinen und also gerade von Autos nichts verstand, glaubte mein Mann wahrscheinlich, ich sei eine dumme Frau. Und weil ich eine dumme Frau war in Maschinen und dem Kartenlesen obendrein, schloss er daraus, ich sei eine liebevolle dumme Frau! Wie muss mein Mann enttäuscht gewesen sein, als er feststellte, dass er mich über keine zwei drei mechanischen Hauptgriffe erobern kann! Ein Rätsel war ich meinem Mann, wenn er im Auto mal wieder nicht geheizt hat, und ich befahl: „Mach die Heizung an, ich als Frau brauch warm!“ Keine zehn Minuten später habe ich dann das Fenster runter gekurbelt und mir kalte Luft zugefächelt. Nanu, noch lange kein Grund, mich für nicht ganz gebacken oder gar ein Enigma zu halten! Menschen haben nun einmal kalt und warm gleichzeitig! Nicht erst in der letzten Zeit hat mein Mann allerlei Berührungsängste bekommen, das habe ich deutlich auf seinem Gesicht gespürt. Dass er sein Auto verkaufen muss, weil das Geld nicht ausreicht, hat er mir lange schon gesagt. Ich habe dann immer gesagt, das Geld soll nicht ein Problem sein. „Wenn du das Auto behalten willst, nehmen wir bei meinem Vater, dem Raser, einfach einen Kredit auf!“ Aber das wollte mein Mann nicht. Vielleicht, weil er kein Vertrauen in mich besass? „Ich verkaufe dich mitsamt meinem Auto.“ Witzelte er.

Jetzt muss ich noch ein paar Dinge richtigstellen: Obwohl mich mein Mann jetzt verkauft, ist er eigentlich gar nicht mein Mann. So gesehen waren wir nie verheiratet. Aber auch sonst frage ich mich, wie mein Mann darauf kommt, er könne mich verkaufen, so wenig, wie er sich jemals von mir besitzen liess. Am Anfang unserer Beziehung haben wir einen Narren aneinander gefressen, das muss ich sagen! Damals hatte mein Mann bereits seit einigen Jahren sein Auto. „Das Auto“, sagte er, „ist gut für dich, damit du hin und wieder aus dem Haus kommst.“ – „Du hast mich für diesen Mann ja nur wegen seinem Auto verlassen!“ Hat mein Ex damals übrigens gesagt. Wir waren Grüne gewesen und so wenig konform wie die Stereotypen die ich hier von mir gebe. Stereotypen, die bis zu einem Grad sogar auf die Ehe meiner Eltern zutreffen könnte. Im Gegensatz zu mir konnte meine Mutter zwar Autofahren, aber nicht wirklich entspannt mit meinem Vater auf dem Beifahrersitz! Oke, ich muss hier vielleicht noch erwähnen, dass mein Vater, der Raser, wirklich ein verdammt guter Autofahrer, Maschinenlenker und Einparker war! So hat er die etwas ruchlosere, unbeholfene Art, mit der meine Mutter, das feine Blümchen, die Kuppel in einen andern Gang schaltete, einfach nur schlecht vertragen! Die Kuppel, damit ist doch das Ding gemeint, die kleine Wölbung, die die beiden vorderen Fahrsitze miteinander verbindet, oder? Irgendwie, so habe ich das bei meiner schaltenden (und an der Kuppel waltenden) Mutter damals vom Zuschauen gelernt. Die Kuppel, und also das Ding dazwischen muss in einer Leiste verschoben werden und sich irgendwie einrenken. Erst, wenn es richtig eingerenkt ist, kann das Auto überhaupt losfahren! Sonst springt das Auto ohne einen los! Also so sehe ich das! Allerdings kenne ich auch die Geschichte meiner Eltern nicht bis ins Genauste. Etwas, das ich weiss, ist, dass sich die beiden beim Tanzkurs kennengelernt haben. Und dass der Anfang, also das Anfahren ihrer Liebe, aus Tanzen, nicht aus Kuppeldrehen bestand. Aber auf einen Höhenflug kommt ja meistens eine Mittelstrecke, die sich sogar zu einer Durststrecke ausweiten kann. Ich selbst bin längst darin, und nenne mich darum eine Restmeternde. Was ich über mich und meinen Mann erzählt habe, entspricht aber wie gesagt in einem Punkt nicht Wahrheit: Ich könnte mich nie mit einem Mann verheiraten, es sei denn, dass ich ihn nicht liebe! Aber ich habe meinen Mann, diesen Mann, hier, innig geliebt. Oder wollt ihr jetzt behaupten, ich wisse vielleicht nicht, was Liebe ist, genausowenig, wie ich wisse, was ein Auto ist!? Vielleicht hat es mir darum (wegen der Liebe) so weh getan, wenn mein Mann geschmackvolle Witze riss über mich, wie eben den da: „Im neuen Jahr verkaufe ich dich mitsamt meinem Auto.“ – „Bist du sicher, dass hier nicht dein Unterbewusstsein spricht?“, fragte ich meinen Mann, der nie mein Mann war, scharf. „Allem Anschein nach möchtest du mich los haben! Aber statt mir das ordentlich ins Gesicht hinaus zu sagen, versteckst du deinen Wunsch in einem Witz.“ Mein Nicht-Mann gab ein entnervtes Stöhnen von sich. „Du verstehst einfach keinen Spass!“ – „Spass? Nennst du das?!“, schoss ich scharf. „Also hör mal, ich hab schon viel Scheisse gesagt, aber dass ich dich mitsamt meinem Kosmetikschrank verkaufe, das heisst nein: dich gebe ich meinen Pinseln obendrein!, auf diesen Spass bin ich noch nicht gekommen! Obschon, da fällt mir ein: Aus dir würden wir sicher noch ein bisschen mehr Geld raushauen können, als aus mir, allerdings auch kaum noch den Höchstbetrag!“ Ich kann nicht beschreiben, wie unendlich traurig mich das macht, dass ich mich an meinen Mann nicht anschmiegen kann, (wenigstens so wie er sich an seinen Autosessel schmiegt) weil er das nicht mehr will. Oder das Schicksal es verbot. Wenn ich, sanftes, dummes, altmodisches kleines, feinfühliges Mädchen, wie gesagt, raubeinig wurde, konnte ich sehen, wie mein  kleiner, süsser, feinfühliger, über mich Witze reissender Mann innerlich erschrak. Eine ratlose Kindlichkeit huschte über sein wunderschönes kantiges Gesicht mit den tiefen braunen Augen, die ich immer bei mir haben wollte. Immer. In mir. Rund um mich her. Auf mir. An mir. Näher, tiefer! In diesem Moment aber, wenn ich raubeinig wurde, wollte ich alles zurücknehmen, was ich ihm eben zurückgeben hatte als Rache für den Witz. Ich wollte meinen Mann in die Arme nehmen und ihn mit Streicheleinheiten übergiessen wie einen kleinen Jungen. Ich wäre so gerne mit ihm weggedüst! Ihr wisst wohin, oder? Ich bin leider eine liebessüchtige Frau. Das habe ich allerdings erst jetzt, in meinem Tantchenalter entdeckt. Mindesten zehn Jahre lang habe ich mich nämlich allein mit meinem Schminkkasten so durchs Leben gewurstelt und von der Liebe nur die (Sehn)Sucht abgekriegt. Dabei habe ich mich ja doch nur geschminkt, wenn ich es mir recht überlege, um mich bei der besten Gelegenheit wieder abzuschminken! Insgesamt haben mein Mann und ich mit seinem Auto etwa fünf grössere, kleinere Reisen gemacht. Die meisten davon, weil ich irgendwo zu einem Arzt, weit weg von unserem Zuhause musste. Diese Fahrten waren für beide von uns belastend, eben, weil mein Mann fast immer müde war und ich sehr krank. Die Fahrten quer über die Landstrassen gehören zu meinen unvergesslichsten Erinnerungen. Ich weiss nicht, vielleicht habe ich es schon gesagt: Ich sass auf dem Beifahrersitz und himmelte meinen Mann von der Seite an. Ich begehrte sein wunderschön geschwungenes Seitenprofil. Sein Blick war auf die Strasse gerichtet, seine warmen, langen Hände lagen auf dem Steuerrad. Er schwieg mit geschlossenen Lippen, so weich, so samtfüllig! Der reinste Frieden lag über uns! Aber das war zu einer Zeit, in der ich noch nicht so schwer krank und mein Mann noch nicht so niedergeschlagen und zugeknöpft war.  Zu einer Zeit, in der mich mein Mann vielleicht noch geliebt hat, vielleicht. Vielleicht. Wer am Kauf der Maschine Interesse hat, wendet sich für weitere Informationen am besten noch vor dem 31.12 X.Y an meinen Mann. Ich selbst kann zum Auto keine weiteren technischen Angaben machen. „IWenn du willst“, sagte ich, „kannst du dein Auto behalten.“

(Winter 2019/6.2020)

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