Nach wie vor bewirtschafte ich meinen Youtube-Channel mit grosser Ambivalenz. Meine Hauptarbeit, die längere Prosa, ist ungeeignet für dieses Format. Aber vor allem, wenn ich live lese (vorlese) habe ich immer den Eindruck, dass der Rahmen von Youtube nicht weit genug ist für die Langsamkeit der Prosa. Anfänglich dachte ich, dass Live-Lesen mit Einblendung des Gesichts authentisch wirken könnte, aber dem ist nicht so, im Gegenteil: wenn ich meinen Glaubenssatz jeweils visuell aufsprach, hat er immer an Inhalt verloren respektive an konträrer Mehrschichtigkeit, die vom Text ablenkt zugenommen. Dann ist da Youtube…. der Channel des Voyeurs und der visuellen Instantunterhaltung schlechthin. Ich musste mich an der Nase nehmen und einige der ME-Documentarys löschen, obschon ich – lach- hauptsächlich für diese aufgerufen werde respektive je spontaner und eingängiger diese sind, umso eher gibt es mal eine Berührung mit einem sogenannten Voyeur oder Wanderer der digitalen Welt. Die Versuchung ME-Misery zu posten ist immernoch gross, einfach, weil ME immer noch ein versteckter Skandal ist. Aber der ME-Alltag ist letztenendes …. zumindest wenn er auf Youtube gepostet wird …. auch nur noch alltäglich hässlich …
… wie also soll ein solcher Youtube-Channel sein? Soll er nur die abgehobene, hybride Literatur respektive Kurzliteratur enthalten oder soll er mich mit-enthalten… mich und mein Leben, das immer noch ein Leben …. nicht als Literatin ist … sondern als Freak …
So bleibt mein Youtube-Channel eine Art Zwischenraum innerhalb meiner eigenen Innerlichkeit, die ich bewohne, ganz. Und während ich in der Sprache die Nicht-Vereinbarkeit meiner Persönlichkeit und meiner Lebensaspekte verweben kann, kann ich das in den digitalen Räumen nicht. Was ich auch mache; ich vermische die Dinge, hinter denen ein künstlerischer Anspruch steht mit denen der direkten sozialen Not (ME-unplugged-Videos oder ME-Diaries) sowie mit blosser Selbstunterhaltung (Fotos, Collagen, Gesang). Allerdings sind die Abstufungen ja auch bei den sprachlichen Arbeiten fliessend, die Abstufungen vom Leben zur Kunst und von der Kunst zum Leben, wobei eigentlich beide Begriffe nicht zutreffen für das was ich bin noch tue.
Ich lebe nicht (wirklich) und ich mache keine Kunst. (denn so würde ich nicht nennen, was so nahe an mir entstand und so unverblümt wenig der Technik achtete).
All das, was mich hier beschäftigt, ist der Punkt, dass ich es nicht schaffe oder schaffen werde oder geschafft habe, jene literarischen Fragmente, die ich für künstlerisch legitim halte aus der Unübersichtlichkeit herauszuholen und zu verhindern, dass sie gänzlich übersehen werden. Ja, dies ist der störende Knoten an der Sache für mich … vielleicht als Arbeiterin.
Ich habe nun aber für eine Weile fertig geschrieben, der Stoff ist verdunstet, verarbeitet oder verjubelt. Ich kann nicht mit der Überarbeitung der Diaries beginnen, weil ich nicht weiss, ob ich soll, ob das Sinn oder Spass macht, ob sich das lohnt, ob man diesen Trash literarisch manipulieren soll und darf, wenn man sonst nichts mehr zu erzählen hat etc.
Ein Schreiberling möchte, glaube ich, immer mit dem Neuen beginnen. Nie sich fragen, was er mit dem Alten tut. So, auf diese Art, sollte man vielleicht auch gelebt haben, und ich habe einige gekannt, die Altes abstreifen und hinter sich werfen konnten, ohne zurück zu blicken. Natürlich, wenn der Sog von Vorne stark genug ist (wäre) …. wenn man abgeholt würde, einen das Leben von Aussen zustossen, empfangen würde ….wer liesse sich nicht gern chauffieren ….. wenigstens einmal …..