Der Schrei von mir als Mensch ist wahrscheinlich so laut geworden, dass er meinen literarischen Texten irreversibel geschadet hat, dass die Produkte nicht mehr für sich allein stehen können, weil ich mich aus Not immerzu in den Vordergrund dränge.
Ich ahne schon länger, dass man nicht einen Roman publiziert, sondern einen publizierbaren Menschen.
Ich kann natürlich noch versuchen, alle Tagebuch-Einträge, alle rein biografischen Schlammergüsse aus der Website zu löschen, ich kann versuchen, bis aufs Jahr 2017 zurück nachträglich eine Zusammenstellung zu machen, die nur noch die streng literarischen Produkte miteinzieht.
Die literarischen Texte können nicht ernst genommen werden, weil ihr Übergang in den persönlichen Tagebuch-Style fliessend ist. Aber was wird das ändern? Meine literarische Handschrift ist doch unverkennbar Ich, ein Mühlstein, mit dem man versinkt, wenn man sich drauf einlässt.
Trotzdem, wenn man es genau nimmt, müsste man die literarischen Texte, wenigstens, publizieren, um sie von mir abzutrennen. Dies würde meine persönlichen Schreie positiv beeeinflussen, es würde mir mehr Körper, mehr Land, mehr Raum geben!
So aber werden meine literarischen Arbeiten beschmutzt vom physischen und psychischen Elend, durch meine langjährige Isolation und die psychische Verwahrlosung, die vielleicht jedem droht, der lange genug, über Jahrzehnte, allein in einem Zimmer lebte.
Kaspar Hauser war in einen Verschlag versteckt. Die unnatürliche Lebenssweise machte ihn verstockt, nicht etwa umgänglich und liebreizend. Carlos wurde durch die Isolationshaft vergiftet. Er wurde der Kriminelle, Schwerverbrecher, den man aus ihm machte.
Vieles hängt vom Zufall ab. Aber je länger eine erzwungene Isolationshaft (auch durch eine schwere Erkrankung wie Myalgic Encephalomyelitis) dauert, umso schwieriger wird es, das Licht zu behalten und ein umgänglicher Mensch zu bleiben, auch für andere.
Ich bin am Punkt, diese Umgänglichkeit zu verlieren.
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Die Website ist so aufgebaut, dass ich alles kunterbunt durcheinander mische; die literarischen Arbeiten, die Daires, die Schreie, die Selfis. Für mich ist dies nicht befriedigend.
Für mich wäre es natürlich, zumindest zwei Werke bei einem Verlag herausbringen zu können, weil das Schreiben dieser Werke meine langjährige Arbeit war, meine Investition, wie für einen Andern das Bauen von Häusern. Diese Häuser können nie fertig gestellt werden, wenn niemand einzieht.
Nicht, um Geld zu verdienen, sondern um die Arbeit abtrennen zu können von meinen Körper, brauche ich eine Publikation.
Ich habe aber keinen Zugang zu Verlagen, eben aus den Gründen, die ich oben erwähnte: eine zu lange andauernde psychische und menschliche Verwahrlosung durch eine physische Erkrankung mit Funktionsniveau, das die Teilhabe nur sporadisch ermöglicht, in der Regel aber vernunmöglicht.
Ich dachte immer, dass die Not ein Garant ist, um der Kunst ein Gewicht zu geben, eine Substanz.
Und nun stellt sich heraus, dass dies nicht toleriert wird.