Es beschäftigt mich der Eindruck, dass meine zwei Romane (Glaubenssatz 10Jahre dran geschrieben, Testimony 2 Monate),
kein angemessenes Alter ausstrahlen. Es ist seltsam, aber es fühlt sich so an, als wäre der Ton meines Schreibens jung, als könnte er nicht altern wie mein Fleisch in den letzten drei Jahren alterte. Mein Körper hat seine Form verändert, aber der Inhalt meines Testimonys entspricht nicht einem fast fünfzigjährigen Menschen …
Ist ein Roman fast immer, per se jung? Versteckt er sich hinter Jugendlichkeit?
Man müsste ja wie Jeremias Gotthelf schreiben, wenn man altersgemäss gut dastehen möchte, ich meine, wenn man sich nicht lächerlich machen möchte als alternder Mensch hinter seinen kümmerlichen Inhalten und was man daraus fabrizierte.
Ich kann nicht schlafen …. nur darum …. und nur darum muss ich wieder denken ….
Mit Dreissig war ich wie mit Achtzehn, daher konnte ich damals keinen Roman schreiben. Und auch sonst nichts.
Aber die Idee, dass ich als reife Frau Inhalte vorlese, zum Beispiel live, als Körper anwesend, beschämt mich. Mein erster Roman, Glaubenssatz, ist tatsächlich mit mir gealtert, aber doch nicht so schnell, wie ich und mein Körper …. die ersten vier Kapitel meines Glaubenssatzes gehören noch der Jugend an, die zwei letzten dem Übergang ins Alter. Testimony war nun mein Alterswerk, aber es hat nichts von Alter, nichts von Reife ….
Meine Idee war immer, dass mein Körper synchron mit meinem Roman (Glaubennsatz resp Vorgänger Geschäft) wächst und dass ich meinen Glaubenssatz publiziert habe, wenn ich quasi physisch auf dem Höhepunkt meines Daseins bin …. meiner Fruchtbarkeit. Irgendwie so.
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie kann sich ein alternder Autor in einem Roman doch nur entlarven als Dummkopf, er kann doch nur bestätigen, dass das Alter und die physische Reife und Unansehnlichkeit sich im Roman nicht angemessen abbildet, ausser bei den grossen u.a. französischen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts, vielleicht …..
Bedeutet das, dass das Alter und der reifere Mensch halt doch eher nur eine Attitüde ist, eine Art Konvention und Haltung, die heutzutage niemand mehr „anziehen“ will, weil nur die Jugend kleidet?
Wenn ich mit erhobenem Finger schreibe und mir den Bart wachsen lasse, bin ich dann reifer?
Ich habe versucht, im Testimony, Teil Eins, ernsthafter zu schreiben, weniger prollig und provokativ, aber was ist damit gewonnen gegen die Jugend, in deren Tonfall ich in Teil Zwei (Dolly) wieder verfallen bin?
Wenn die Seele eines Schrifststellers in seinen Texten nicht altern kann, weil der Ton und die Sprache die Lebendigkeit der Jugend verströmen wollen, dann ergibt sich daraus eine Diskrepanz zur wirklichen Gestalt und Figur des Schreiberlings. Liest er dann live aus seinen Texten, denkt man: Kindskopf!!!!!! Hahaha. It’s fucked up! Too late! Quelle shit!