3004_Sexismus kam mir immer so trivial vor (off topic, aktuell)

Ich bin eine 47jahre alte Frau und bekam viele Jahre negativ konnotierte Bemerkungen zu meinen nicht zarten, nicht flaumigen, Fussballer- Waden. Die letzte Bemerkung, meine Waden seien Schmirgelpapier, ist sehr jung, aber mir ging durch den Kopf, dass man sogar als alte Frau immer noch Projektionsfläche ist, ein Körper eben, der beschrieben werden kann mit den schmeichelhaften oder prekären Utopien eines Andern (passt zu meiner aktuellen Lektüre von Foucaut: utopie du corps).

Gemäss dem Schriftsteller und Kabarettist Christoph Simon muss eine Frau glatte Waden haben (sagte er mir vor langer Zeit während eines Drinks in der Beiz), und zwanzig Jahre später ist der glatte, unbehaarte Frauenkörper immer noch in allen männlichen und vielen weiblichen Köpfen eine Regel, wie es eine Regel ist, dass eine Frau nicht rülpst oder pupst, wenn es sie dazu drängt, weil es dann vulgär wirkt.

Ich finde das und fand das alles immer zu trivial, um es explizit zu thematisieren. Für mich ist nicht die Behaarung, der Regelbruch das Problem, oder dass ich männliche Phantasien resp Utopien zerstör(t)e, während ich andere gerne erfüll(t)e. Was mich stört respektive sogar verzweifeln lässt, ist, dass der Körper offenbar keine Spalte frei lässt, nach Aussen hin, durch die mein Wesen, meine Seele schlüpfen kann, um zb. einen Mann zu erreichen als Mensch zuerst … dann erst als Frau.

Was soll ich tun mit einem Menschen, der es vordringlicher findet, eine Normvariante meines Körpers und also meiner äussersten Hülle zu kritisieren, als mir in die Augen zu schauen oder mitzuteilen, dass er meine Anwesenheit geniesst oder sich von mir angezogen fühlt!?

Ich muss so einen Menschen links liegen lassen.

Aber ja: es gab viele, zu viele solcher Inschriften, männlicherseits, auf meinen Leib und viel zu wenig Ansprachen und schöne beseelte Reden für mich von eben diesem Geschlecht! Ich kann nur sagen, dass es mich mit Verzweiflung erfüllt, mit einem Klischee, das ich verachte, zu ringen, dass ich mich nicht soweit hinreissen lassen will, im andern Geschlecht, das ich physisch begehre, einen Haufen voller Idioten zu sehen, und ein paar Ausnahmen, die aus den unzähligen emotional intelligenten, cleveren und schönen Frauen auswählen können ….

Ich will nicht, dass Vorurteile sich ständig bestätigen! (Es ist schlimm genug, dass sie sich zb. in den medizinischen Institutionen nach wie vor haufenweise an weiblichen Patienten bestätigen! Offenbar ein Thema, zu banal für Genderdiskurse im Vgl. zu so Themen wie: wer darf ins Freibad, das ehemals dem einen oder andern Geschlecht vorbehalten war, Abschaffung der getrennten Toiletten oder grammatikalische Debatten)

Ich habe immer, als weiblicher Tunichtgut, eine ideale Projektionsfläche dargestellt, für Offenbarungen dieser Art, ich habe es sogar provoziert, weil ich vielleicht gemeinsam mit den Männern über meine Rolle witzeln wollte, so als wäre ich ihr Kumpane….

Ich habe neben Untergürteligem auch moralisierende Personen erlebte, männlichen Geschlechts, die versuchten, mich zu erziehen, als hätten sie eine Vollmacht dazu. Ich wusste nicht, woher das kommt …. diese Selbstverständlichkeit, mit der mann mir beizubringen versuchte, was richtig und was falsch ist an meinem Verhalten usw., gänzlich frei von Liebreiz oder Sensibilität ….

… ich habe auch das oft belustigt aufgenommen, heimlich. Aber oft hat es mich auch verwundert.

Wie gesagt, nocheinmal: eine sexualiserte Bemerkung stört mich nicht, ich bin überhaupt nicht für die Abschaffung und die Bestrafung von Sexismus beiderseits, übrigens! Ich habe mir immer nur gewünscht, dass man sich gegenseitig so stark begegnen kann, dass sich diese einseitigen Äusserungen in den Kontext einfügen, der von der inneren Substanz, dem inneren Auge, der Phantasie, des Liebreizes, der Wärme durchdrungen wird.


Nun lebe ich in einer Welt, in der das Sehen abgeschafft wurde, beiderlei: das äussere und innere Schauendürfen,

Auch ein Grund abzudampfen von diesem verdrehten, verkrüppelten Ort ….

… besser heute noch als morgen.

 

 

 

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