3004_On habite pas un pays, on habite dans une langue.‘ E.M. Cioran

Irgendwo an der Statthalterstrasse gibt es eine kleine Dachwohnung mit einer Dachfreien Schneise und etwas Blick zum Himmel, wie ich vermute. Fr. 1080 im Monat.

Da kommt wieder diese absurde Kaskade ins Laufen: Ja, aber warum Wohnen, wenn man nicht lebt? Es ist sage und schreibe so, als müsste ich einen Grund finden, warum ich umziehen möchte, aber dieser Grund ist nicht akzeptabel, denn, ich möchte es ja nur etwas schöner haben, ein kleines bisschen weniger ——

Aber dies ist nicht mehr der Grund, weswegen man wohnt, weil es auch nicht mehr der Grund
ist, weswegen man lebt …..

Die Umstände, die mittlerweile anders sein müssten, damit ich auch wieder wohnen dürfte, sind so mächtig, dass das Wort Wohnen für mich eine ganze Kaskade von absurden Einwänden nachsichzieht:

Umziehen? Warum denn, wo ich noch nicht respektive nicht mehr wohnen darf, warum denn, wo mein Leben in diesen vier Wänden dasselbe sein würde in den andern vier Wänden (da ich mir ja doch nichts wirklich Schönes leisten kann!), nämlich in der Augen der Gesellschaft: keines! Warum also diese riesige Bewegung des Umzugs?

Ich erinnere mich, wie ich mich dereinst auf meine erste Wohnung am Steckweg bewarb:
„Ich bewerbe mich, weil ich zum erstenmal ausziehen und alleine einen Haushalt führen möchte. Ich brauche nur eine Herdplatte … freue mich schon auf mein erstes Spiegelei …

Und dann, die zweite Bewerbung:
„Ich bewerbe mich, weil die Wohnung am Hopfenweg zentral gelegen ist. Ich bin noch in beruflichen Abklärungen …. günstig …..

Und dann, die dritte, für die Hildanusstrasse, da wurde es schon schwieriger:
„Ich bewerbe mich, weil ich für mich und meinen Kater ….. ideal …. auch bin ich wegen einer
Erkrankung oft zuhause, kann aber den Mietzins …. Zustupf der Eltern…. (wie ich damals diese Erkrankung einer Immobilienverwaltung klar machte, weiss ich nicht mehr …. schrieb ich etwa, ich leide an unendlich vielen Symptomen? Kaum ….)

Wohnung vier, in Brügg, fällt ausserhalb all dieser Bemühungen, nicht, weil sie nur fr.900 kostete und mit meinem 3000fr. Invalidenrente knapp kompatibel war:
„Ich bewerbe mich, weil ich unbedingt in der Nähe meines Schatzes sein möchte …. schon immer mal weg von Bern …. Neues …… glücklich …. blabla …
den Mietzins kann ich gut ….. auch …. Zustupf….

Wohnung fünf war wieder eine Art Spiessrutenlauf:
„Ich bewerbe mich …  habe bereits 16 Jahre in dieser wunderschönen Stadt gelebt … vorher …. bin leider gezwungen möglichst schnell …. zurück … barrierefrei …… neuroimmunologische Erkrankung ….IV …. EL….. Eltern…. Bürgen!!!! …. würde mich sehr … freuen und und und

Man sieht also: das Fehlen einer Arbeit hat jede Wohnungsbewerbung zu einer Angelegenheit der Schuld, Scham, Verwirrung und Ausrede gemacht. Anfangs konnte ich die „Wahrheit“ noch mit Umschulungen oder einer Auszeit entschuldigen, mit einer verspäteten Jugend.——-

Aber das ist ja alles nicht das, was ich eigentlich meine, wenn ich sage, neinein: ich kann dies nicht mehr tun (Fragen, ob ich trotzdemallem Wohnen darf, so, dass es mir gefällt!)  Das, was ich jetzt meine hat nicht mehr nur mit dieser Scham und Verlegenheit zu tun, dass ich für mein Wohnen nicht selber aufkomme, dass ich etwas WILL, obschon sie mir längst das GEBEN, was ich zum Leben brauche ….

Die Tatsache zusätzlich nämlich, dass ich dies nicht kann, stellt alle andern Bedürfnisse meines Lebens in ihrem Sinn total in Frage. Wohnen ist ja ein Grundbedürfnis, nehme ich mal an, es ist kein Wahlbedürfnis, das nach dem Erwerb respektive mit diesem erst entsteht! Und doch, eben, ist im Wohnen und der Bewerbung aufs Wohnendürfen für mich neuerdings die ganze Fragwürdigkeit meines Lebens ausserhalb der Gesellschaft enthalten. Ich bin mittlerweile selbst an diesem Punkt angelangt, wo es mir sofort absurd vor kommt, sobald ich auf die Idee komme, ich könnte umziehen ….

Ich müsste fast zwangsmässig bekennen: ich lebe nicht …. wirklich …. zu KEINEM ZWECK LEBE ICH, weder in Ihren Augen, wo meine Realität des 20 bis 24 Stunden Liegenmüssen im achten Jahr Lockdown nicht nachvollziehbar wäre weder gefühlsmässig noch sonstwie, sondern auch für mich—-

denn: und warum sollte ich Ihnen denn weiterhin meine Meinung aufdrängen wollen, dass, unter Umständen, ab und zu, ein solches Leben, jedem Zweck abspenstig, doch gelebt werden kann …..

….. so läppisch wenig …. und so unwirtschaftlich, dass …..

THE CRUX IST: ich selbst lebte, wie sie, für einen Zweck … ein Ziel ….. ich wage es nicht mehr, zu sagen ….

——

Als ich noch nicht weniger krank war, dachte ich lange, dass ich immer auf der sicheren Seite sein würde, wenn ich mein Leben nach meinen Idealen: Schönheit und Poesie, ausrichte. Ich glaubte, wohl, diese Attribute würden mich vor Ärmlichkeit, Hässlichkeit, Profanem …. und bis zu einem gewissen Grad sogar vor Krankheit schützen respektive abheben …..

Und nun ist es so, dass „sie“ mich doch gebrochen haben, dass ich nicht länger dagegen halten kann …. dass ich, in meiner zunehmenden Isolation, physischer und psychischer Zerrüttung und leider Erfolglosigkeit …. immer mehr zu „ihnen“ rüberschwappe ….

ICH SPÜRE, DASS ICH KEINEN ZWECK MEHR FINDE, MIT DENEN ICH ZWISCHEN MIR UND IHNEN EINE GEFÄLLIGE INTERAKTION HERSTELLEN KANN…. ICH SPÜRE, DASS DIE GESELLSCHAFT, IHRE STRUKTUREN, ANGEFANGEN HABEN, EINE  WIRKUNG AUF MICH AUSZUÜBEN, DASS ICH AUFHÖRE, MICH ALS INNERLICH REICHER MENSCH ZU EMPFINDEN…..

…. ICH BIN ALSO POUR L’AMOUR AUCH AUS DIESEM GRUND VERLOREN. (Da sie, oje …. ja doch ein Phänomen ist innerhalb des Vorgegebenen und Vorzufindenden ….. da auch sie von Codes lebt, nicht vom gänzlich Unbekannten.)

Wenn mich also heute jemand etwas fragen wollte über mich, mein Leben, mein Denken, mein Handeln, meine Erkrankungen ……. am liebsten würde ich einfach nur ungeduldig abwinken: Irrtum!

Alles andere wäre zu kompliziert ….. würde sich nicht lohnen …. mich nur ermüden ….


Vielleicht habe ich unter dem Dach der Sprache versucht, Unterschlupf zu finden.
Sie kam mir oft wie ein Würfel vor, den ich in die Höhe schmeissen kann, und dann, während
er runterfällt, liegt da per Zufall eine Sechs.
Weil sie so leicht ist, viel leichter als das körperliche Leben …..

Aber diese Sprache spricht in letzter Zeit nicht mehr zu mir.

 


 

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