20_Amour Box_(the End) can Love be Error?

Raven! Nun, da ich sehe, welche Liebe sich zu meiner Liebe gesellt, hat sich etwas in mir geändert, und ich frage ins Blaue hinaus:
Kann man jemanden lieben, der gar nicht zu einem gepasst hat? Und wenn ja, warum dann, hat man das solange getan? Ich sehe und erkenne, indem ich diese zugegeben oberflächlichen Bilder sehe, dass Ich es bin, die nicht zu einem Mann gepasst habe, von meiner Art her, meiner Personality, meiner Liebe und Vernarrtheit ins Reflektieren und Gründlichkeit, meiner Art der Langsamkeit und Kontemplation, meiner Art des tiefen Ernstes, der Grausamkeit, Direktheit, Dreistigkeit, meiner Eigenschaft, sehr viel Nähe und Intimität zu fordern, eine fordernde Frau zu sein in der Liebe selbst, nicht im Drum und Dran, wie man zusammenlebt, was man tut etc.

Musste ich diese Bilder sehen, nach vier Jahren, in denen ich diesen Mann liebte, um zu verstehen, dass Ich nicht weiter geliebt werden konnte von diesem Mann, weil ich so bin, wie ich bin, nicht, weil ich falsch bin (obschon er es ständig so auszuformulieren versuchte und auf das Negative meiner Eigenschaft abzielte), sondern, weil er sich eben schlicht mit anderen Werten oder Eigenschaften identifiziert?

Ich bin verwirrt. Bisher hatte ich einfach den Eindruck, dass ich ersetzt wurde. Aber nun denke ich, dass der Mann, den ich liebte, wirklich etwas anderes suchte. Immer noch bleibt es mir ein Rätsel, warum er sich dann anfangs mir angeschmiegt hat und versucht hat, mich einzuspinnen und meine Liebe für sich zu gewinnen? Er hätte doch wissen und spüren müssen, dass ich nicht das bin, was er sucht. In diesem Punkt fühle ich mich immer noch wie ein Opfer, ein Versuchsobjekt, und ausgenützt. Denn zeige ich denn nicht immer alles, gleich am Anfang, bin ich nicht schon von Beginn an diese Personality, zu der man entweder ja sagt, richtig, oder aber nein (wie es die meisten tun).

Aber vielleicht frage ich mich jetzt auch, warum ich denn diese Liebe so tief und erschütternd fühlte, zu einem Mann, der immer schon halbwegs weg war und auf der Suche nach einer Passenderen, was ich durchaus fühlte und was mich mit Zorn erfüllte, verständlicherweise, denn wie gesagt, Raven, ich bin fordernd in der Liebe, ich liebe die Liebe, nicht das Drumherum. Aber ich verliebte mich in diesen Mann wohl, weil er etwas an sich hatte, im Ausdruck und äusserlich, das mir lieblich und kindlich erschien. Er berührte mich, ich fand ihn süss. Und dies alles zusammen, so wenig es ist, warum denn passiert es mir nur alle zehn Jahre?!
Und dann, wenn es einmal passiert, verliebe ich mich in einen Menschen, der gar nicht zu mir passt, der keine Geduld und Lust hat auf meine Welt, warum habe ich gottverdammt so verausgabt für einen Menschen, der immer schon am Gehen war emotional ….

Diese Erfahrung war spät, vielleicht zu spät in meinem Leben. Ich war bereits schwerkrank. Und nun schaue ich zurück auf einen Error und habe niemanden, dem ich dafür die Schuld geben kann, Raven! Ich versuche mir also zu sagen, dass Liebe einen so heimsuchen kann, das man sie durchaus jemandem schenken will und muss, der sie nicht will oder annehmen kann. Und dass man nicht anders kann, als diesen Prozess zu Ende zu gehen mit sich selbst, durch all die bitteren Phasen hindurch. Ich gehe durch die Hölle, weil ich tief geliebt habe, weil ich spät geliebt habe, weil ich vorher neun Jahre lang keinen Partner hatte. Weil Liebe für mich selten ist….

Ich erleide Schmerzen, Flashsbacks, es fühlt sich an wie ein Trauma, ich weiss nicht, ob ich es überlebe. Denn, lieber Raven, in meinem Fall ist es ja nicht so, dass es einen passenden Menschen für mich gibt! Ich glaube nicht, dass ich einen Menschen suchen könnte, auswählen nach Eigenschaften. Gibt es denn ein Mann, der so lebt wie ich? Der irgendwie auf einer Wellenlänge ist mit mir und meinem Fühlen, Denken und Sein? Dies könnte jeder sein und keiner. Und doch weiss ich nicht, was die Liebe ausmacht, die in mir einem Naturwunder gleich ausbricht, ich bin so eigenständig und so anders, dass ich nirgendwo mehr einen Mann suchen oder vermuten könnte, ich war das immer schon …. ich halte mich für einen intellektuellen Menschen und bin doch tausend Jahre entfernt von der Art, wie akademische Intellektuelle reden ….

Ich glaube, ja, für mich endet hiermit, mit diesem Trauma eines weiteren Irrtums, mein Liebesleben. Es ist seltsam, dass es so gekommen ist, Raven. Meine Trauer ist tief und scheint endlos, weil ich glaubte, dass ich mich von meiner Intuition führen lassen kann, zu einem Menschen. Dass ich nur einem nahe komme, der mich auch wirklich so behandelt, dass ich keine schweren Verletzungen davon trage. Aber ich bin auch nicht sicher, ob meine eigene Intuition versagte, vielleicht, weil ich gewissermassen keinen Menschen auswählen kann, weil es für mich am Andern keine Kriterien gibt, sondern nur diesen Grad an Warmherzigkeit ….

Ich konnte nur meiner Intuition folgen und für mich entscheiden, ob dieser unbekannte Mann, dessen Innenleben ich kaum kannte, mir wohl tut, ich fühlte, dass ich ihm nicht vertrauen kann, niemals ging dieses Gefühl weg, und in diesem Punkt täuschte mich meine Intuition nicht, aber das änderte nichts an der Flut der Zärtlichkeit und Liebe, die sein Anblick vier Jahre lang in mir löste. Wen kann oder soll ich dafür verdammen? Ich bräuchte deinen Ratschlag, Raven! Du als Vogel weisst mir da vielleicht zu helfen ….

Kann oder muss ich sagen, dass dies meine Liebe war, und dass sie es sein durfte? Dass ich sie in mir trug? Und dass das Schöne am ganzen Unfug war, dass ich lieben konnte? Für mich war diese Liebe heilig, weil ich dachte, 2018, dass ich vielleicht bald an ME sterbe, sie war für mich jeden Augenblick kostbar und behaftet mit der Schwere dieses Vermächtnisses …..

Die Zeiten, in denen man mit mir lachen und vergnügt sein kann, waren schon lange vorbei. Mir war feierlich zu mute, innig.

Und nun sehe ich ein glückliches Gesicht an der Seite dieses Mannes, und ich erkenne, dass ich definitv für ihn gestorben bin. Und ich will mein eigenes Andenken von dieser Geschichte lösen, aus Eitelkeit vor allem, aber ich weiss nicht, ob ich es kann. Denn, ja, Raven, wie du weisst, für mich gibt es keinen Aufbruch in ein anderes Dasein …. ich bin hier und habe seit dieser Liebe nichts erlebt, dass diese Erfahrung für mich in den Schatten stellt, mein Leben ist ereignisarm, ich liege im Bett … ich denke nach …..ich habe mühseligste Symptome …. ich kann nicht fort, nicht davon schweben ….

Raven! Es gibt nur zwei Möglichkeiten für mich, dieses Trauma zu überleben: entweder ich erfahre etwas, dass eine gesunde Relation zu diesem Trauma herstellen kann, eine Erfahrung, die sich mir als neue Realität preisgibt, die mich fordert, in die ich eingehen kann. Ich brauche es, dass etwas nun in meinem Leben passiert, etwas eintritt, das stark wirkt und tief! Aber konstruktiv!

Und wenn dies nicht möglich ist, dann, Raven, bleibt für mich nur der Tod.

Nicht, weil diese Liebe unvollkommen war und einseitig, weil sie bitter endete, wo ich ganz unbedingt eine vollkommene Liebe gebraucht hätte, zu diesem Zeitpunkt meines späten Lebens, nein, nicht, oder auf alle Fälle nicht allein deswegen bleibt mir nur der Tod, sondern weil ich nicht in dieser Abgehängtheit, in diesem Stillstand, an diesem Rand, alleine, in Einsamkeit und Isolation, ohne soziale Tiefeneinwirkung und ohne künstlerische Anerkennung weitermachen kann. Es ist natürlich so, dass die Emotionen und der Schmerz, der jetzt noch Krawall macht, irgendwann abflaut, und dass ich wieder wie vorher – vor diesen vier Jahren – ein betuliches Leben im Bett führen könnte …. kränker und eingeschränkter, als damals, aber frei und ohne ärgerliche Störfaktore, alone mit meiner Phantasie und dem Bild der Natur. Wie ein Greis, der weiss, dass dies alles ist, und alles, was dazu kommt, einen nur aufschlitzt.

Aber dahin kann ich nicht zurück. In dieses Vakuum will ich nicht wiederkehren. Vielleicht kann ich darum den Schmerz nicht loslassen, weil ich kaum daran denken kann, wieviele Jahre ich allein verbrachte, allein und abseits, nur mit dem Schreiben, ohne Liebe, lange Spaziergänge und Freisein …. und wie ich diese Jahre tolerierte …. aber nun, im Nachhinein toleriere ich sie nicht mehr. Raven! Ich weiss, dass der Tod allein mich befreien könnte von diesen unseligen höllischen Schmerzen, ich meine, der Tod als Vorstellung allein könnte mir den Schmerz zum Schmerzchen hinabschmelzen:

Wenn ich nicht mehr da sein werde, werde ich keine Erinnerung mehr haben an all die Traumen meines Lebens. Die Kämpfe würden vom Tod aus gesehen, absurd sein, unnötig, selbst die der Liebe!

In dem Sinne bin ich unreif, immer noch, ich bin dem Leben nicht gewachsen, nein. Aber wie soll ich nach so vielen Irrtümern und Traumen in den Tod gehen, ohne ein einziges Erfolgserlebnis in der Reihe der Error-Kette ausfindig zu machen?

Wie soll ich so in den Tod gehen, mit diesem Stein auf der Brust, der mich Tag und Nacht erdrückt?
Ist das vielleicht der Grund, warum man in den Tod geht? Weil man vom Leben besiegt ist?

Raven! Warum sollte ich in den Tod gehen, wenn ich glücklich wäre? Wenn ich die Chance hätte, auf einen literarischen Erfolg?
Wenn ich die Chance hätte auf eine Therapie gegen die quälende Krankheit? Wenn ich die Chance hätte, von jemandem geliebt zu werden, wie ich bin?

Und nun muss ich wieder weinen, Raven, viele, viele Bäche lang. Raven, bleib da! Setz dich auf die Pallas-Athene! Schau auf mich runter! Du bist mein Rabe, du tröstest mich, du kennst Lenor, du kennst Nevermore. Du bist klug und witzig. Weiche nicht von meiner Seite.

(29.6.22)

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