Dieses Jahr habe ich meine Zukunft in der tiefen Vergangenheit entdeckt. Nach so vielen Jahren, in denen ich an der Oberfläche des Momentes um diesen Körper kämpfte, habe ich anhand einer Dauer verstanden, dass es nun zu spät ist. Und ich lasse meine Zukunft dort in der Vergangenheit liegen und betrachte sie da als begraben.
Letztes Jahr gab es Ereignisse, fulminante und äusserst schmerzhafte. Darüber habe ich mich nocheinmal aufgebäumt, im 2022, ich habe mein zusammenstürzendes Schloss der Illusionen noch einmal auf dem Kopf getragen und ich schrieb einen letzten Teil zu meinem Roman, den ich im So/Wi 2022 für den besten hielt.
Diesen Teil will ich nun seit So 2023 nicht mehr in diesem Roman drin haben. Und indem ich ihn streiche, streiche ich auch die letzten zwei Jahre, ich streiche diese Restkraft meines Irrsinns und Grössenwahns aus meinem alten Leben und gehe hinein in die Scham und den Verfall meines Selbsts(Konstrukts), das in erster Linie künstlerisch war und mit meiner Jugend begann, Gestalt anzunehmen.
Dieses Selbstkonstrukt zerfällt seit 2020 in horrendem Tempo.
Noch nie habe ich so sehr gespürt, durch mein Umfeld und die Umwelt, wie unwichtig und vergessen ich bin, wie verfault , erloschen in meiner Strahlung und hundertfach überlebt mein energetisches Wirken ist. Ich bekam die Abkehr und das Schweigen jeden Tag zu fühlen, ich spürte, dass ich nicht mehr begehrt werden kann, sondern als kranke Person gemieden werden muss. Ich fing an, zu betteln für dies und jenes. Und nun lebe ich, wenn ich das will, von Almosen.
Ein weiterer Schlag, der bitterste, war: dass ich an die Grenzen meiner kognitiven Belastbarkeit gelangt bin, dass ich durch Umschreiben meiner Buch-Versionen in ein immer tieferes Chaos versank. Diesen Herbst haben die Entzündungen, die im letzten Sommer durch Covid-Cortison lange unterdrückt wurden, mein Gehirn mit neuer Wucht erreicht und meine limbische Encephalopathie lässt mich in einer Art demenzartigen Vorraum schwimmen und vor mich hindämmern. Schreiben und die Kognition erreichen, tue ich nur noch an vereinzelten Tagen unter grossem Mehraufwand an Kaffee.
Ich bin also jetzt dabei, diesen Roman, den ich am 24.12. meinem Lektörlein präsentieren wollte, mit neuen, total reduzierten kognitiven und intellektuellen Kapazitäten zu retten, indem ich ihn so gut als möglich vereinfache, simpel und einfach dem Handlungsstrang folge und rudimentäre Abfassungen einer komplett überfrachteten Arbeit mache, die sich doch in unglaublich vielen Nebenflüsschen, die alle dasselbe Wasser führten, verlor.
Eine Erkrankung des Gehirns zu haben respektive eine Erkrankung, die sich multisystemisch vom Gehirn ausbreitet und den ganzen Körper langsam tötet, in einer Art schleichendem Prozess, ist sehr spooky. Es ist ja nach wie vor unklar, was Menschen mit Myalgischer Encephalomyelitis so krank macht, dass sie sich als lebende Tote bezeichnen müssen. Diese Diskrepanz von Unwissen und fehlender Forschung, von nicht vorhandender Sichtbarkeit und medizinischer Versorgung usw. und dem Grad an Invalidität, ebenfalls unsichtbar, macht das Erleben dieser Erkrankung mit den Jahren gespenstisch, denn es kommt durchaus einer Umnachtung gleich, über Jahrzehnte so dazuliegen (besonders im Winter! Im Sommer ist das besser, wenn man es schafft, auch draussen, unter der Sonne zu liegen!)
Anfangs Dezember hatte ich in einem Affekt der Verzweiflung, einen letzten Versuch unternommen, mir einen Zugang zur Wirklichkeit zu verschaffen: ich war als Freiwillige im Robert-Walser-Zentrum schnuppern. Mein Einsatz hätte vier Stunden gedauert, ich hätte die spärlichen Besucher empfangen und wenig Reize gehabt, aber viele interessante und mirgeliebte Bücher von Robert Walser um mich herum. Aber nach einer Stunde konnte ich nicht mehr sitzen, und mit einer Yogamatte in einem Kulturzentrum herum liegen, geht halt nicht.
Es war fürchterlich. Einerseits diese fast schlaganfallähnliche kognitive und neurologische Amnesie, die mich in der aufrechten Position heimsuchte, dieses Vakuum durch die Prozesse im Gehirn durch mangelnde Sauerstoffversorgung, des zu geringen Blutvolumens, es war spooky und physischer Horror, doch fast noch schlimmer war die Einsicht, dass ich mich geschlagen geben musste und einsehen, dass diese Erkrankung einen tödlich krank macht ohne Tod, obschon man jahrzehntelang alles macht, um diesen Tatbestand zu umgehen und auszutricksen …. denn, weil man ja trotzdem nicht stirbt, auf lange Zeit hinaus nicht, ist man ständig in Versuchung zu leben und wieder aktiv zu sein, was aber schädlich ist und ohne Therapie ins Aus/die Umnachtung befördert.
Ich hoffe sehr, dass Exit dieses Jahr grünes Licht gibt, aber meine Chancen stehen nicht sehr gut.