Ich sehe diesen Blog als
– Blog meiner persönlichen Entwicklung
– literarischer Blog oder Blog einer literarischen Entwicklung
– Blog einer Krankheitserfahrung, persönlich
(Myalgische Encephalomyelitis seit 28 Jahren, 2018 Diagnose, ca. 20-24h bettlägerig seit 2016)
– Blog einer spezifischen Krankheit mit einem spezifischen politischen Background
( seit 1969 bei der WHO als neurologische Krankheit abgelegt, haben ME-Betroffene bis zum heutigen
Tag keine Kranheitsanerkennung, Therapie, med. Versorgung usw.)
– Monolog eines sozialen Fehlens (strukturell, durch jahrelange ME)
– therapeutischer Monolog (zb. Symptome aushalten)
– literarischer Blog, nicht persönlich
PS: ich wurde gefragt, warum ich meine Krankheit „zeige“ oder gar „vorführe“, dies hat einige Menschen in den sozialen Medien befremdet. Dies (was ich tue) ist tatsächlich eher unüblich. ABER es handelt sich bei der Erkrankung Myalgische Encephalomyelitis um eine, die nach wie vor nicht anerkannt ist, die uns Betroffene zur Unsichtbarkeit und der gesellschaftlichen Nichtexistenz zwingt. Unser Funktionsniveau ist tiefer als das jeder chronischen Erkrankung, und gleichzeitig erleben wir seit über sechzig Jahren die grösste Psychopathologisierung und Ignoranz, die man sich vorstellen kann. Seit langem sind nun unzählige physische Abweichungen im Hirnstoffwechsel, Energiestoffwechsel, im Blut usw. bei ME-Betroffenen bekannt (Openmedicine foundation.org, zb.) , aber hierzulande wird man weiterhin als müder Psychosomatiker abgestempelt. Die lange und früh einsetzende Erkrankung hat mein ganzes Dasein dominiert, sie ist meine Lebensrealität. Ich glaube nicht, dass ich die Krankheit so „zeigen“ würde, wenn sie medizinisch und somit gesellschaftspolitisch existierte. Es ist ein Unrecht, das seit vielen Jahrzehnten mit Millionen von meistens jung erkrankten ME-Betroffenen geschieht. Und ein Unrecht muss man aussprechen. (Traumaforschung!) Ich würde bestimmt nicht in diesem Umfang über die Erkrankung schreiben, wenn ich nicht seit 28 Jahren daran erkrankt wäre, zuerst mild, aber bereits arbeitsunfähig durch die unzähligen Dysautonomien und die fehlende Homöostase, dann ab 2016 bettlägerig. Es ist also vielleicht nicht möglich, mein Verhalten auf Anhieb zu verstehen, wenn man flüchtig etwas verstehen möchte, nein, wenn man flüchtig verstehen will, dann wird man in den üblichen Argwohn verfallen, dieses grässliche Misstrauen, mit dem wir neben den durchgängigen Symptomen auch immer wieder und wieder konfrontiert werden.
Ich bin, trotz dieses Mühlsteins und dieser negativ prägenden Erfahrungen mit der Umwelt nicht ganz und gar meine Erkrankung. Ich habe zum Beispiel schon vor der Erkrankung gerne geschrieben. Und ich suche mir auch immer öfter bewusst andere Sujets zum Schreiben, was mit so limitierter Erlebniswelt nicht so einfach ist.
über mich (2017/18/19/20/21, letzte kleine überarbeitung 11.2022)
Schreiben ist für mich der Ort der Umwandlung vom Profanen ins Substanzielle. Der Akt des Schreibens löste mich von den Umständen des Lebens, paradoxerweise,wo ich ja über diese Umstände schreiben musste …. aber es liegt eben in der Arbeit des Dichtens selbst, dass sich die oft hässliche und unzureichende Realität transformiert im Akt des Schreibens selbst ….. dass das, was im Leben nicht entstehen kann, irgendwie einen Ausdruck findet ….sowas habe ich als Verkäuferin nicht erlebt …. Schreiben heisst: eine Wirklichkeit neu entstehen lassen …. egal, worüber man schreibt. Und doch hat es etwas Verküppeltes. Denn irgendwie ist es ja doch wieder nur etwas Abstraktes. Und was ich eigentlich meinte mit der Umwandlung ist ja nur eine Art Perspektive auf das Leben, Ich meinte eine Art Lebenskunst, die einer fehlenden Spiritualität resp Göttlichkeit (ge)denkt— Ich meinte: die Frage, wie man dem Leben gedenken könnte, wie man Dasnichtganzhiersein integrieren könnte … ich meinte: ja, klar: die Ontologie miteinbeziehen und so die Distanz bewahren zum Profanen und den Liebesblick beibehalten für die Einzigartigkeit des Seins.
2023/Eclat de Minutes_ der Eiszapfen
2022/eclats de minutes
2022 eclat de minutes
2020, Brügg, eclat de minutes
Sommer 2021
2022 Foucault Michel, L’utopie du corps in Deutsch, gelesen von MJS
2021 Sommer
2019, Der Logos-Kosmus der jungen Jeanne Stürmchen, Proll und Poet Maudit, damals noch mit Christian im rechten oberen Teil des Globes
—–
(Ein paar Informationen zu der hierzulande nahezu unbekannten Krankheit Myalgische Encephalomyelits (umgangsprachlich Chronic-Fatigue-Syndrom genannt) von der Schweizerischen Gesellschaft für ME/CFS (Sgme.ch):
‚ME/CFS ist eine neurologische Erkrankung, die meistens nach einem viralen Infekt auftritt und zu schwerer Behinderung führen kann. Die Patient/innen leiden unter verschiedenen Symptomen wie Muskelschwäche, grippeartige Erschöpfung, sensorischen Reizverarbeitungsstörungen Schmerzen, schweren Konzentrationsstörungen uvm. Das Leitsymptom ist eine post-exertional neuroimmune Exhaution, (PENE), eine langanhaltende Verschlechterung der Symptomatik, welche bereits auf geringe physische, kognitive oder sensorische Belastung folgt. Die genaue Ursache der Erkrankung ist unzureichend erforscht, doch u.a. sind Fehlfunktionen des Immunsystems, des Nervensystems, des Energietransports und des Hormonssystems nachgewiesen. Etwa 60% der Betroffenen sind arbeitsunfähig, 25% sind hausgebunden oder bettlägerig, ca. 3% schwer pflegebedürftig. Weltweit sind 17 Millionen Menschen betroffen, in der Schweiz ca. 16000. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Myalgische Encephalomyelitis im Jahr 1969 unter dem Code g.93.3 als neurologische Krankheit klassifiziert.
Obwohl es immer mehr Wissen über die körperlichen Dysfunktionen bei ME und CFS gibt, sind die exakten Ursachen bislang ungeklärt und es gibt keine anerkannte Behandlung. In der Regel bleiben die Patient*innen ihr Leben lang schwer krank. Umso bedenklicher ist es, dass kaum in die Erforschung der Krankheit investiert wird. Im Jahr 2017 gab das US-amerikanische Gesundheitsministerium pro ME- und CFS-Patient:in $ 15 aus. Der entsprechende Betrag für AIDS ist $ 3’000.1 In der Schweiz wurde noch nie zu ME geforscht.
Die Verkennung einer Krankheit
ME wurde schon früh als neuroimmunologische Krankheit erkannt. Doch Anfangs der 1970er Jahre kam die These auf, dass der hohe Anteil junger Frauen unter den Patient:innen einen Beleg für Hysterie als Ursache liefere.2 Diese groteske These stiess in der Fachwelt zu Beginn auf grosse Ablehnung. Da jedoch keine eindeutige physiologische Ursache gefunden werden konnte, begann die Fehlkonzeption sich in den 1980er Jahren durchzusetzen. Gleichzeitig wurde ME mit dem viel breiter definierten Krankheitsbild CFS vermischt und verlor dadurch an Spezifität. In Folge sind weltweit Forschungsgelder und Unterstützungsleistungen für die Patient:innen zurückgegangen und man begann, sie mit schädlichen psychosomatischen Methoden zu behandeln.3
Heute sind die körperlichen Fehlfunktionen bei ME besser erforscht und es findet seit einigen Jahren weltweit ein Paradigmenwechsel statt. 2015 erkannte eine vom US-amerikanischen Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie ME eindeutig als schwere körperliche Erkrankung.4 Im gleichen Jahr entschuldigte sich in Norwegen die Premierministerin öffentlich bei den Patient:innen.
«Wir hatten dieser Patientengruppe nichts anzubieten und ihr wurde mit Ablehnung im Gesundheitswesen begegnet. Dies geschah, weil es viele Vorurteile gegenüber dieser Krankheit gab; dass sie das Resultat einer psychologischen, beinahe gewollten Krankheit wäre. Es ist wirklich ein Skandal! Diesen Patienten wurde mit mangelndem Respekt begegnet, nur weil wir nicht genug Wissen hatten.»5
– Erna Solberg, Premierministerin von Norwegen –
Immer mehr Länder folgten. 2016 gründete die EU ein Forschungsprogramm zu ME namens EUROMENE.6 2018 hat der niederländische Gesundheitsrat ME als schwere körperliche Krankheit anerkannt und mehr Forschung sowie bessere Unterstützung für die Patient:Innen gefordert.7 Das dänische Parlament folgte ein Jahr später.8 Anfang 2019 fand eine parlamentarische Debatte im britischen Unterhaus statt, in welcher die schlechte Versorgung der ME-Patient:innen diskutiert wurde. Sämtliche Parlamentarier:innen stimmten einer Motion zu, welche forderte, dass die Regierung mehr Forschungsgelder für ME zur Verfügung stellt, medizinische Fachleute besser über ME ausgebildet werden, und potentiell schädliche psychosomatische Behandlungsmethoden bei ME abgeschafft werden.9 2020 hat das Europäische Parlament in einer Resolution die Finanzierung von biomedizinischer Forschung und Aufklärungskampagnen zur Sensibilisierung des Fachpersonals im Gesundheitswesen und der allgemeinen Bevölkerung gefordert.10
Im Jahr 2021 veröffentlichte die britische NICE neue Richtlinien zu ME, welche verschiedene grosse Verbesserungen zu den alten von 2007 beinhalten:11
- Es wird anerkannt, dass ME eine schwere körperliche Krankheit ist, die zu vollständiger Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit führen kann.
- Die schädliche graduierte Aktivierungstherapie (GET) darf nicht mehr angeboten werden.
- Der Lightning Prozess und ähnliche potenziell schädliche und nicht evidenzbasierte Programme dürfen nicht mehr angeboten werden.
- Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) ist nicht kurativ, sondern darf – wie bei jeder chronischen Krankheit – nur als Unterstützung beim Management und der mentalen Verarbeitung der Krankheit angeboten werden.
Die Situation in der Schweiz
In der Schweiz ist von diesem Paradigmenwechsel bis anhin leider wenig angekommen. ME und CFS sind offiziell nicht erfasst. Im Gesundheitswesen herrscht eine ablehnende Haltung und die IV stuft die Krankheiten entgegen dem internationalen Forschungskonsens als psychosomatische Leiden ein. Es gibt hierzulande zwischen 16’000 und 24’000 Betroffene, denen ein würdiges Leben unmöglich ist. Weil diese Menschen teils rund um die Uhr von Angehörigen deren Lebensqualität massiv eingeschränkt ist.11 Auf Bundesebene verlangte Ständerat Damian Müller 2020 mit einem Postulat (Nr. 20.3671) einen Bericht zu Forschungsergebnissen und Informationen, an wen sich Betroffene für Unterstützung wenden können. Dieses Postulat lehnte der Ständerat auf Empfehlung des Bundesrats am 21. September 2020 ab.12 Für die betroffenen Patient:innen und ihre Angehörigen bleibt nur der Eindruck, niemand fühle sich verantwortlich und man überlasse sie dem Schicksal. Die Situation der Betroffenen ist verheerend. Sowohl die medizinische Versorgung wie auch die sozialstaatliche Absicherung sind quasi inexistent. In einer 2021 von der Schweizerischen Gesellschaft für ME & CFS durchgeführten Umfrage unter Patient:innen13 gaben weniger als ein Sechstel an, einen Hausarzt zu haben, der sich mit der Krankheit auskennt. 28% haben gar keinen Hausarzt oder nur einen, der die Krankheit nicht als solche anerkennt. Viele haben in einem medizinischen Notfall schlechte Erfahrungen machen müssen, weil das medizinische Fachpersonal die Krankheit nicht kennt oder nicht anerkennt. Den Verantwortlichen in den Sozialversicherungen ist ME weitestgehend unbekannt. In der Folge sind die Patient:innen für ihren Lebensunterhalt in aller Regel von pflegenden Angehörigen abhängig. Wenn IV-Renten gutgesprochen wurden, geschah dies meist nicht für ME, sondern für eine Begleiterkrankung oder gar für eine Fehldiagnose. Eine absurde Situation, denn die Krankheit, die zur Rente berechtigte, war in der Regel weniger einschränkend als ME. Auch bei der Alltagsbewältigung müssen Angehörige den grössten Teil der Verantwortung übernehmen, weil externe Hilfe fehlt. Die Angehörigen pflegen und versorgen ohne jegliche Hilfe Pati-ent:innen, die teilweise zu krank sind, die Körperpflege selber zu erledigen, nicht ohne Hilfe zur Toilette gehen oder essen können. Gewisse ME-Patient:innen sind zu schwach, um selber ein Trinkglas an den Mund zu führen oder sich im Bett umzulagern.
ME-Patient:innen und ihre Angehörigen sind nicht nur mit einer schweren Krankheit, medizinischer Unterversorgung und existenziellen Problemen konfrontiert, sondern auch einem gesellschaftlichen Stigma ausgesetzt. Dies macht in den allermeisten Fällen nicht vor dem nahen Umfeld der Patient:innen halt. Viele Beziehungen zerbrechen daran, und oft sind ME-Patient:innen mit Einsamkeit konfrontiert. Viele ME-Patient:innen verlieren durch die Krankheit den grössten Teil ihres sozialen Umfeldes, oft auch nahestehende Personen.’
(Sgme: Schweizerische Gesellschaft für Myalgische Encephalomyelitis)