Vielleicht schade ich meiner schönen WordPressseite, wenn ich einen Menschen aus dieser Zeit ins Visier nehme, aber da ist diese Faszination.
Magda Goebbels war die Tochter eines Dienstmädchens. Der Erzeuger heiratete Magdas Mutter nach der Geburt. Die Ehe wurde wieder geschieden, als Magda Vier war. Magdas Mutter heiratete ein weiteres Mal, Magda wurde vom Stiefvater adoptiert.—-
Als junge Erwachsene war das prägende Gefühl von Magda, die grossbürgerlich aufgewachsen war, die Langeweile. Sie heiratete einen zwanzig Jahre älteren Mann und lebte im Luxus, langweilte sich aber bald wieder und provozierte eine Scheidung durch Seitensprung.
An einem öffentlichen Auftritt der noch unbekannten NSDAP hörte Magda Josef Goebbels reden. Bald danach wurde sie Mitglied der NSDAP und wurde Betreuerin von Josef Goebbels Privatarchiv. Die beiden heirateten mit dem Segen Hitlers, der Magda die Rolle der First Lady der NSDAP zuwies, die strahlende Vorzeigedame.
Nun wurde Magdas inneres Leeres mit der gigantischen Ideologie des NS-Regimes aufgefüllt. Sie wollte auch selbst politischen Einfluss nehmen, nach Rücksprache mit Hitler, verwehrte Goebbels ihr diesen Wunsch aber. Frauen durften nicht politisch sein.
Besonders als der Krieg ausbrach, war Magdas Rolle und Funktion wieder klar umgrenzt. Sie hatte nicht mehr und weniger als andere Frauen gebärfähige Mutter und Gattin zu sein. Aus der Ehe mit Goebbels stammten sechs Kinder, die alle wenige Tage vor Deutschlands Kapitulation im Reichsbunker von Magda mit Blausäure umgebracht wurden.
Die Ehe mit Goebbels war längst unglücklich, Goebbels hatte Affairen am Laufband, Magda wollte die Scheidung, doch Hitler verbot dies. Magda u Josef waren schliesslich das Glamourpaar des Dritten Reiches, die Visitenkarten Hitlers, Josef sein brillianter PR-Stratege. Goebbels hatte in Germanistik promoviert und war anfänglich links gewesen, er wollte Schriftsteller werden (siehe Hitler, der Künstler werden wollte).
Man kann sich vorstellen, dass mit Magda und Josef zwei Narzissten/leere Hüllen aufeinander trafen, die bald nur noch die Vergötterung Hitlers verband, das Gefülltwerden wollen mit Ideologie. Magda verachtete Goebbels für die Schwächen, die durch seine aufgeblähte Figur sickerten und sich mehr und mehr bei der Gattin am Herd entluden. (die Parteiprobleme, mit der er sie allabendlich überhäufte, besonders gegen Ende des Krieges) Der Makel seines Hinkens als Folge seiner Kinderlähmung war für Magda mit der Zeit wohl kaum mehr hinnehmbar.
Trotzdem war sie durch die Heirat mit Goebbels nicht freier geworden, wie sie selbst bitter feststellte, ihr Ehrgeiz nicht gestillt. Jetzt aber gegen Ende des Krieges wusste sie, dass sie keine Chancen hatte, aus eigener Kraft etwas zu sein, nicht, weil die Ideologie, für die sie lebte, unterging, sondern weil sie eine Frau war.
Das ist das Erstaunliche und Perplexe an dieser Biografie: Dass die Diskriminierung der Frau vielleicht sogar die unterschiedlichsten Frauen in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten verbindet. Magda Goebbels hatte keine Rechte, nur war sie keine Kriegsgefangene, sondern in einer Gefangenschaft aufgrund ihres Geschlechts. Und diese Gefangenschaft war so allgemein toleriert, so natürlich, dass der ehrgeizigen Magda Goebbels, die ihren schwächlichen Mann hasste, gar nichts anderes übrig blieb, als sich zuerst ihm zu fügen. Ihm war sie untergestellt, der Ideologie (Hitler) verschrieben:
„Entweder wir gewinnen diesen Krieg, dann wird mein Mann mich verlassen. Oder wir verlieren ihn, dann muss ich mit ihm untergehen. Ich werde die Kinder mitnehmen, weil ich nicht will, dass sie in einer Welt ohne Nationalsozialismus aufwachsen. Alles, was mir schön und lieb war, geht mit dem Nationalsozialismus unter.“ So ihre Worte an ihren ältesten Sohn aus erster Ehe.
Wollte sie die Kinder wirklich aus diesem Grund mitnehmen? Oder dachte sie, dass die Kinder, wenn sie weiterlebten, vielleicht irgendwann entdecken würden, dass ihr Vater ein Verbrecher gewesen war, ihre Mutter eine kaltblütige Frau, die ihren Stiefvater im KZ umbringen liess?
Die Kinder waren in unzähligen Werbefilmen inszeniert worden, waren eine Marke. Magda Goebbels zeigte sie wie Puppen mit schön gebundenem Haar, in Trachten, Gedichte aufsagend, immer in der Natur, immer in Bewegung und Aktion, in der ländlichen Idylle. Wollte sie, dass mit dem Ende dieser Idylle das Leben ihrer Kinder endet? Wie brachte sie Bilder der Verbrechen und des Mordens, von denen sie nicht verschont gelieben sein kann, mit einer Idylle, in der es nicht Böses gibt, alles zuckersüss ist, erleuchtet und hell in Einklang? Wusste sie nicht, dass in einer Welt, in der nur der Stärkste leben darf, eine Frau unweigerlich schwach bleiben muss?
Nein, ich denke, es ist wahr: für sie war der Nationalsozialimus diese heile Welt und die fanatische Kraft mit der er ausgetragen wurde, die Kraft, die sie für sich selbst brauchte, da sie, als Frau, selbst keine Schöpfungskraft haben durfte, keine Karriere machen konnte. Sie, die luzide Erscheinung Magda Goebbels, wäre als Mann vielleicht ein noch besserer PR-Stratege und Kriegshetzerer geworden als Josef.
Vielleicht heisst: einer solchen Ideologie verfallen, die Vernunft verlieren wollen, den Verstand abgeben wollen, von einem kollektivem Rausch errettet und getragen zu werden in immer höhere Wellenbereiche. Irgendwann dann kommt es zu einem gewaltigen Knall. Und was dann in den Gehirngewaschenen passiert, ist unklar.
Hitler, das war die personifizierte Ideologie. Ihn liebte Magda mit der Reinheit der Ideologie, mit der sie den gemeinen Ehegatten nicht lieben konnte. Hitler wollte Magda nicht heiraten. Er wusste wohl, dass eine leibliche Verbindung der Ideologie geschadet hätte. Die Ideologie ist immer dieser riesige Vorsprung auf alles andere. Sie ist immer makellos. Sie kann einen Einzelnen, für den alles zu lau, zu schwach ist, retten und mit einem übergeordneten Lebensgrund von sich befreien oder verteufeln. (Im Falle auf NS-Mitläufer braucht es aber ein stärkeres Wort.)